Von Helmut G. Bauer, Rechtsanwalt, Köln
Die Länder diskutieren wieder einmal über eine die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Am 26. September beraten die Regierungschefinnen und -chefs über einen Entwurf des Staatsvertrags, der den Auftrag präzisieren und die Zahl der Fernseh- und Hörfunkprogramme begrenzen soll. Nach den bisherigen Vorstellungen sollen 20 Radioprogramme eingestellt werden. Eine bloße Reduzierung reicht aber nicht aus. Die Länder müssen auch über die Nach-Nutzung der frei werdenden UKW-Frequenzen entscheiden. Dabei handelt es sich zum Teil um attraktive Frequenzen auf reichweitenstarken Grundnetzsendern.
Zahl der öffentlich-rechtlichen Radioprogramme
Die ARD strahlt 54 Programme über UKW und DAB+ sowie 15 Programme ausschließlich über DAB+ aus. Das Deutschlandradio verbreitet zwei Programme über UKW/DAB+ und eines ausschließlich über DAB+. Diese Zahl wurde im Rundfunkstaatsvertrag 2004 und später in einigen Landesgesetzen festgelegt. In den einzelnen Ländern variiert die Anzahl der Programme stark: Während der NDR elf Programme betreibt, senden der Bayerische Rundfunk und der Mitteldeutsche Rundfunk jeweils zehn Programme, Radio Bremen nur vier. Online bieten die Sender weitere Audioangebote an, die zuvor einen so genannten Drei-Stufen-Test durchlaufen haben. Wie viele Programme die einzelnen Anstalten künftig ausstrahlen dürfen, ist noch nicht entschieden. Der Hessische Rundfunk hatte bereits im Vorfeld der Beratungen über den Reformstaatsvertrag angekündigt, bis 2032 drei seiner sechs Programme einzustellen.
Auswirkungen auf die Privatradios
Eine Verringerung der Zahl der Programme hat auch Auswirkungen auf den Wettbewerb mit privaten Veranstaltern. Diese werden sich einerseits über weniger Konkurrenz freuen, sich aber andererseits die Frage stellen, was mit den frei werdenden UKW-Frequenzen geschieht. Wenn sie diese nicht für ihre Programme erhalten, werden sie die Nutzung durch andere private Anbieter verhindern wollen. Veranstalter in Nachbarländern müssen befürchten, dass die Programme in ihr Sendegebiet einstrahlen.
In einigen Bundesländern wie Schleswig-Holstein sehen die Landesmediengesetze vor, dass freie UKW-Frequenzen grundsätzlich nicht mehr neu vergeben werden, sondern nur noch zur Schließung von Versorgungslücken genutzt werden dürfen. Dort wollen die Radioveranstalter ab 2031 ausschließlich über DAB+ senden. Ein Entwurf auf Arbeitsebene der Rundfunkreferenten sah vor, den Medienstaatsvertrag dahingehend zu ergänzen, dass freiwerdende UKW-Frequenzen eingefroren und nur noch in Ausnahmefällen zur Schließung von Versorgungslücken vergeben werden. Aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Länder zur weiteren Entwicklung von DAB+ wurde dieser Ergänzungsvorschlag nicht aufgegriffen. Viele Länder wie Rheinland-Pfalz haben keine Regelungen für freiwerdende UKW-Frequenzen getroffen. Dies führt zu Unsicherheit bei den Veranstaltern. Sie wissen nicht, was mit diesen Frequenzen passiert. Das ist nicht akzeptabel. Die Radioveranstalter müssen wissen, wie es mit UKW weitergeht und ob, wann und wie die einzelnen Länder einen Umstieg auf DAB+ planen. Nicht nur die privaten Veranstalter brauchen Planungssicherheit, sondern auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Deshalb hat die KEF die Medienpolitik wiederholt aufgefordert, einen solchen Plan vorzulegen.
„Die Radioveranstalter müssen wissen, wie es mit UKW weitergeht und ob, wann und wie die einzelnen Länder einen Umstieg auf DAB+ planen.“
Bundesnetzagentur und Frequenzverordnung
Die freien Frequenzen nach der Räumung durch die Rundfunkanstalten einfach nicht den Medienanstalten zuzuordnen, ist auch keine Lösung. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat als Hüterin der Frequenzen für eine effiziente Nutzung zu sorgen. Deshalb kann sie Frequenzen, die ein Jahr lang nicht genutzt werden, widerrufen (§ 102 TKG). Bei Bedarf kann sie diese dann nach einer internationalen Koordinierung anderen Bundesländern zuweisen. Gegenwärtig verzichtet die BNetzA in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) auf den Widerruf ungenutzter Rundfunkfrequenzen. Ein solches Moratorium dürfte einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten, wenn leistungsstarke Frequenzen von einem Land zur Verbreitung neuer Programme eingefordert werden.
Um einer solchen Situation vorzubeugen, hat der Bundesgesetzgeber in § 89 TKG eine Ermächtigung geschaffen, in der Frequenzverordnung festzulegen, wie mit frei werdenden UKW-Frequenzen zu verfahren ist. Da die Frequenzverordnung in der Regel nach einer Weltfunkkonferenz an die dort erzielten Ergebnisse angepasst wird, wird sie noch in diesem Jahr geändert. Dies ist eine Möglichkeit, eine entsprechende Regelung für die UKW-Frequenzen aufzunehmen. Nach Angaben des BMDV wartet der Bund schon auf einen entsprechenden Vorschlag der Länder.
Auswirkungen auf DAB+ Multiplexe
Eine Verringerung der Programme hat auch Auswirkungen auf die DAB+ Angebote, da alle UKW-Programme auch über DAB+ verbreitet werden. Bei DAB+ werden die Programme nicht einzeln auf verschiedenen Frequenzen, sondern gebündelt in einem Datenstrom (Multiplex) auf einer Frequenz ausgestrahlt. Wird die Zahl der über DAB+ verbreiteten Programme reduziert, sinken die Verbreitungskosten nicht, da weiterhin der gesamte Multiplex ausgestrahlt werden muss. Die Sender könnten die Datenrate der Programme erhöhen, was die Stabilität des Signals und die Reichweite verbessern würde. Nutzen sie diese Möglichkeit nicht, bleibt die Frage offen, wie mit den freien DAB+-Übertragungskapazitäten umzugehen ist. Aus ökonomischer Sicht ist zu überlegen, ob diese an private Veranstalter vergeben werden können. Da beitragsfinanzierte Sendernetze in der Regel besser ausgebaut sind, sind private Veranstalter an einer Mitnutzung interessiert. Solche Mischmultiplexe gibt es z.B. auf der ersten bundesweiten DAB+ Senderkette, in Rheinland-Pfalz oder in Bayern. Sofern das DAB+-Netz von den öffentlich-rechtlichen Sendern selbst betrieben wird, könnten sie durch die Vermietung der freien Kapazitäten Einnahmen erzielen. Voraussetzung sind entsprechende rechtliche Regelungen und die Einhaltung der Vorgaben des Beihilfekompromisses mit der Europäischen Union.
Neuordnung der DAB+ Kapazitäten als Perspektive
Je nachdem, auf wie viele Angebote die öffentlich-rechtlichen Anbieter in Zukunft verzichten müssen, stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, die DAB+ Kapazitäten in den Ländern insgesamt neu zu ordnen, um sie effizient zu nutzen. Diese Frage wird sich aber erst stellen, wenn DAB+ UKW abgelöst hat und der Druck zur Kostenreduktion weiter gestiegen ist.
Konzept zur Zukunft des Hörfunks
Weniger öffentlich-rechtliche Hörfunkprogramme kann nur ein Schritt sein. Unter Wahrung der Rundfunkhoheit der Länder bedarf es eines gemeinsamen Konzepts für die Zukunft des Hörfunks, auch um ein Auseinanderdriften der Radiolandschaft zu verhindern. Nur dann haben alle Veranstalter die notwendige Planungssicherheit für ihre Investitionen in Sendernetze und Programme.