„2025 muss der Modus der Anstalten von Stand-by in den Power-Modus wechseln“

21. Januar 2025
Heike Raab, Staatssekretärin für Medien in Rheinland-Pfalz und Thorsten Bischoff, Staatssekretär für Medien des Saarlandes
Heike Raab, Staatssekretärin für Medien in Rheinland-Pfalz und Thorsten Bischoff, Staatssekretär für Medien des Saarlandes
Rheinland-Pfalz erwartet von den Anstalten eine schnelle Umsetzung des Reformstaatsvertrages. Das Saarland fordert, noch mehr als bisher, Medienpolitik aus einem Guss zu betreiben, von der Umsetzung der Reformen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zur Neuaufstellung in der Filmförderung.

Fragen an Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Medienpolitik der Länder und Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz und Thorsten Bischoff (SPD), Medienstaatssekretär im Saarland

Heike Raab, hat als Koordinatorin der Medienpolitik der Bundesländer, einen großen Anteil daran, dass es beim Reformstaatsvertrag wie auch bei der Neufassung des Finanzierungsstaatsvertrages, Kompromisse der Ministerpräsidenten gegeben hat, die noch vor zwei-drei Jahren undenkbar schienen. Im Sommer 2022, nach der massiven Kritik am System der öffentlich-rechtlichen Sender, dass die Schlesinger-Affäre ermöglicht hat, sahen auch die Länder die Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen. Bis Ende des Jahres soll der Reformstaatsvertrag in Kraft treten. Wie erfolgreich diese Reform werde, hänge, so Heike Raab, von Rundfunkanstalten und den Gremien ab. Vieles was die Länder nun festschrieben, hätten die Anstalten auch selbst entscheiden können. Thorsten Bischoff, Medienstaatssekretär des Saarlandes, kritisiert den Reflex der Rundfunkanstalten, „jede Reformüberlegung als Eingriff in die Rundfunkfreiheit zu werten“. Das fördere das Vertrauensverhältnis aktuell nicht. Es komme nun entscheidend auf die schnelle Umsetzung der Reform-Maßnahmen an. Dafür braucht es in den Sendern und Köpfen der Entscheider die notwendige Veränderungsbereitschaft, sagt Bischoff.

Heike Raab, Staatssekretärin für Medien in Rheinland-Pfalz:

medienpolitik.net: Frau Raab, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?

Raab: Das Jahr 2024 war intensiv, auch aus medienpolitischer Sicht. Wir haben zum einen die vielfältige Medienlandschaft in Deutschland und 40 Jahre privaten Rundfunk gefeiert. Zum anderen war das Jahr von intensiven Debatten geprägt, wie zu den zunehmenden Herausforderungen für die Demokratie durch Desinformation und Propaganda. Insbesondere die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat die Rundfunkkommission und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten stark gefordert. Als Koordinatorin der Rundfunkkommission danke ich allen Beteiligten aufrichtig und herzlich für die konstruktiven Impulse und Debattenbeiträge.

Dass die Ministerpräsidentenkonferenz noch am 12. Dezember 2024 drei wichtige Staatsverträge beschlossen hat, zeigt, dass die Regierungschefinnen und -chefs in einer Verantwortungsgemeinschaft Lösungen suchen und verlässliche Rahmenbedingungen für freie und unabhängige Medien schaffen. Diese Staatsverträge werden nun parlamentarisch beraten. Es ist das Ziel, dass sie bis zum Ende des Jahres 2025 in Kraft treten. Deshalb werden die Beratungen der Länderparlamente zum Reformstaatsvertrag, zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag und zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag im kommenden Jahr eine breite medienpolitische Resonanz haben. In diesem Zusammenhang wird auch die Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF - und der weitere Umgang der Anstalten damit - relevant werden. Wir Länder haben jedenfalls ein neues, vereinfachtes und rechtssicheres Beitragsfestsetzungsverfahren auf der Basis der neuen KEF Empfehlung, beschlossen, das ab dem Jahr 2027 gelten soll. Bis dahin werden die Anstalten wegen der angesparten Sonderrücklage auch mit dem derzeit geltenden Rundfunkbeitrag auskömmlich finanziert sein. Wir werden dies zu Beginn des Jahres mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten und der KEF erörtern.

Auch die europäische Ebene nehmen wir intensiv in den Blick, denn wir brauchen ein übergreifendes „Democracy shield“. Unsere Medien und unsere Bürgerinnen und Bürger stehen vor Herausforderungen, die zur allgemeinen Verunsicherung beitragen. Der Einfluss der US-amerikanischen und chinesischen Social Media-Plattformen, russische Propaganda und populistische Desinformation erfordern eine gemeinsame europäische Antwort. Deshalb brauchen wir europäische und nationale Regelungssysteme, die ineinandergreifen, die die Freiheit der Medien wahren und in denen Verstöße sanktioniert werden.

In Rheinland-Pfalz novellieren wir aktuell den SWR-Staatsvertrag. Ziel ist es, dass im Sinne der Reform des ÖRR auch der SWR moderner, schlanker und digitaler wird.

„Wie erfolgreich diese Reform werden wird, hängt aber im Besonderen auch von Rundfunkanstalten und den Gremien ab. Vieles was wir Länder nun festschreiben, hätten die Anstalten auch selbst entscheiden können.“ Heike Raab

2024 war das Jahr der Nachrichten. Im kommenden Jahr richten wir den Fokus auf die Vermittlung von Medienkompetenz und die bessere Koordinierung der Projekte. Denn eins ist klar: Jugendmedienschutz gibt es nicht nur in Gesetzesform. Gesundes Aufwachsen mit digitalen Medien ist das Ziel. Der sichere und souveräne Umgang mit digitalen Angeboten ist essentiell für die Meinungs- und Willensbildung, Teilhabe und auch die eigene Resilienz und Gesundheit. Bei der Vermittlung von Medienkompetenz müssen daher neben Kindern und Jugendlichen auch ältere Altersgruppen berücksichtigt werden.

Der Medienstandort Rheinland-Pfalz ist für die Landesregierung aus kultureller, gesellschaftlicher und wirtschaftspolitscher Sicht zu fördern. Die Medienförderung RLP und die Content Convention haben sich in den letzten Jahren zu festen Größen dieser Standortförderung entwickelt. Innovative Medienformate und Games werden unterstützt und Stipendien für junge Talente vergeben. Daher freuen wir uns, dass wir bei der Medienförderung RLP den finanziellen Anteil des Landes ab dem Jahr 2025 auf 500.000 € verdoppeln können. So wächst unsere Medienförderung nach und nach und wir freuen uns sehr über die sichtbaren Erfolge: geförderte Projekte erhalten immer öfter Auszeichnungen oder werden auf Festivals aufgeführt. Dies ist ein Ansporn für uns, die Medienförderung auch zukünftig weiterzuentwickeln und zeigt, dass wir mit der Ausrichtung unserer Förderung den Zeitgeist getroffen haben.

medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?

Raab: Mit dem Reformstaatsvertrag schaffen wir die Basis für eine umfassende Verschlankung und Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wie erfolgreich diese Reform werden wird, hängt aber im Besonderen auch von Rundfunkanstalten und den Gremien ab. Vieles was wir Länder nun festschreiben, hätten die Anstalten auch selbst entscheiden können. Erforderlich ist ein positiver Gestaltungswille: Wie kann das Publikum besser erreicht werden und der Auftrag erfüllt werden? Wie kann ein Angebot geschaffen werden, das der gesamten Gesellschaft einen Mehrwert bietet und gerne genutzt wird? Der Reformstaatsvertrag und der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag sind getragen von dem Willen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fit für die Zukunft zu machen, seine Akzeptanz in der Gesellschaft zu stärken und ihn in seinen Strukturen resilienter zu machen. In unseren Diskussionen zum Reformstaatsvertrag habe ich Bereitschaft zur Veränderung verspürt. In 2025 muss der Modus der Anstalten von Stand-by-Modus in den Power-Modus wechseln.

 

Thorsten Bischoff, Staatssekretär für Medien des Saarlandes:

medienpolitik.net: Herr Bischoff, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?

Bischoff: Die Herausforderungen in der Medienpolitik bleiben auch 2025 vielfältig und komplex. Dies reicht von der Umsetzung der Reformen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis zur Neuaufstellung in der Filmförderung. Wichtig wird dabei sein, zwischen den Ländern Medienpolitik aus einem Guss zu machen. Wenn wir die Mediatheken stärken und anspruchsvolle Produktionen aus Deutschland haben wollen, dann braucht es dafür eine gesunde Produktionswirtschaft. Das Filmförderzulagengesetz kann dabei ein geeignetes Instrument für eine moderne Filmförderung sein – auch um in Europa als Filmstandort konkurrenzfähig zu bleiben. Die Regelung dazu muss aber so ausgestaltet sein, dass sie die Länder nicht einseitig belastet.

Und: Filme brauchen auch Kinos, wo sie voll und ganz erlebbar werden. Dafür müssen wir auch weiterhin den Kinostandort in Deutschland mit einer investiven Förderung stärken. Eine moderne Filmförderung und die Absicherung der regionalen Kinolandschaft werden daher Themen sein, die sich nach der Bundestagswahl auch in Koalitionsverhandlungen wiederfinden werden – unabhängig davon, wer mit wem dann verhandeln wird.

„Medienpolitik aus einem Guss heißt auch, dass wir die Themen Content, Verbreitung und Nutzung zusammendenken. An der Stelle gibt es eine starke Verzahnung mit europäischen Themen.“ Thorsten Bischoff

Ebenso wird das Thema der Pressevertriebsförderung in Koalitionsverhandlungen diskutiert werden müssen, dafür wird sich die saarländische Landesregierung stark machen. Denn auch die Verlage brauchen die notwendige Unterstützung, um ihre demokratische Rolle weiter verlässlich insbesondere im Bereich der regionalen Vertriebszeitungen ausüben zu können.

Medienpolitik aus einem Guss heißt auch, dass wir die Themen Content, Verbreitung und Nutzung zusammendenken. An der Stelle gibt es eine starke Verzahnung mit europäischen Themen. Die Weiterentwicklung von Arte zu einer europäischen Plattform ist dabei ein sehr wichtiger Impuls, den wir aus dem Saarland heraus vorantreiben wollen.

Schließlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor der Aufgabe, das Reformpaket umzusetzen, das die Länder im Oktober und Dezember beschlossen haben. Dabei geht es nun darum, dass die Anstalten organisatorisch schnell umsetzen, was der Gesetzgeber beim Auftrag und bei den Rahmenbedingungen vorgibt. Für die Finanzierungsfrage ist dabei möglichst ein gemeinsamer Weg zu finden auf Grundlage der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz. Klagen bringen nicht weiter, sondern schaden am Ende dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk selbst. Wichtig für uns als Saarland ist: im Reformprozess ist sehr deutlich geworden, dass die kleinen Sender wie der Saarländische Rundfunk wichtig sind für das Gelingen von Regionalität und Medienvielfalt. Das Saarland ist in vielen Bereichen Vorbild für andere, etwa durch die bereits gesetzlich umgesetzten Maßnahmen der Gehälterbegrenzung und der Einführung eines Direktoriums – aber auch mit der besonders guten Wirtschaftlichkeit der Produktionskosten.

medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?

Bischoff: Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfest aufstellen, das gelingt nur gemeinsam. Der Reflex der Rundfunkanstalten, jede Reformüberlegung als Eingriff in die Rundfunkfreiheit zu werten, fördert das Vertrauensverhältnis aktuell nicht. Die Sender stehen vor der Aufgabe, noch intensiver als bisher um Akzeptanz und Legitimation zu werben. Das gelingt am Besten durch ein gutes Programm, das – über alle Generationen hinweg – auch über die unterschiedlichsten Ausspielwege genutzt wird. Daher muss die Digitalisierung der Angebote nun hohe Dynamik bekommen – und der Auftrag insbesondere im Bereich der Information auch im Linearen weiter intensiv umgesetzt werden. Sendungsangebote im Bereich des Diskurses und der Debatte müssen vor dem Hintergrund des hohen gesellschaftlichen Interesses an Dialog und Information linear wie digital ausgebaut werden.  Die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags in der Bevölkerung hängt aber auch davon ab, ob die Sender sparsam wirtschaften. Es kommt nun entscheidend auf die schnelle Umsetzung der Reform-Maßnahmen an. Dafür braucht es in den Sendern und Köpfen der Entscheider die notwendige Veränderungsbereitschaft.

 

 

 

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