„Die Suche nach Schlupflöchern muss ausbleiben“

22. Januar 2025
Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein und Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt
Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein und Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein erwartet, dass die Auffindbarkeit von Public-Value Angeboten aus dem Medienstaatsvertrag auch europaweit verankert werden. Für Sachsen-Anhalt rechtfertigt nur die deutliche Unterscheidbarkeit von ARD und ZDF, dass beitragsfinanziert zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsysteme erhalten bleiben.

Fragen an Dirk Schrödter (CDU), Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein und Rainer Robra (CDU), Minister für Kultur und Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt

Mit Blick auf die medienpolitischen Schwerpunkte für Schleswig-Holstein, sagt Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei, dass alle Fragen um die Reformen, inhaltlicher wie finanzieller Art, zum öffentlich-rechtlicher Rundfunk zentral bleiben werden. Schröder betont, dass die Länder darauf achten sollten, dass die Anstalten Public-Value-Inhalte, die künftig als Beitrag zur Vielfaltssicherung auch auf privaten Plattformen angeboten werden sollen, diesen auch zur Verfügung gestellt würden. Bei der Umsetzung der Reformen dürfe es „kein Ausbrechen und keine Ausflüchte geben“. Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt sollten die Länder ein „größeres Augenmerk“ auf die Regulierung im Bereich der privaten Medien und des Internets legen. Sowohl die veralteten Medienkonzentrationsvorschriften als auch die Auswirkungen künstlicher Intelligenz schufen einen großen Handlungsdruck. Nicht alles könne und dürfe Brüssel hier regeln, sagt Robra. Vieles von dem, was die Länder jetzt an Reformen regelten, hätten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ihre Gremien längst machen können, ohne gegen ihren Auftrag zu verstoßen, resümiert der dienstälteste Chef einer Staatskanzlei.

Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei in Schleswig-Holstein:

medienpolitik.net: Herr Schrödter, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?

Schrödter: Da gibt es so einige Baustellen: Nach dem DSA, DMA und EMFA steht jetzt die Revision der AVMD an. Nachdem der EMFA Bereiche der AVMD bereits tangiert, soll nun die ganze Richtlinie überprüft werden. Hier muss Deutschland über den Bundesrat rechtzeitig seine Positionen und Wünsche klar herausstellen. Ein Punkt wäre hierbei die Regelung zur Bevorzugung und besseren Auffindbarkeit von Public-Value Angeboten aus dem MStV auch europaweit zu verankern. Bei der Umsetzung des EMFA geht es darum, die Bestimmungen der Verordnung mit dem MStV kompatibel zu machen. Ein zentraler Punkt sind insbesondere die Bestimmungen zur Vielfaltssicherung. Das hat dann auch parallelen zur Reform des Medienkonzentrationsrechts. Wir werden sehen, ob wir hier im nächsten Jahr schon einen Schritt weiter kommen oder, ob es einer Zwischenlösung bedarf.

Zentral bleiben natürlich auch alle Fragen um die Reformen, inhaltlicher wie finanzieller Art, zum öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Nachdem wesentliche Entscheidungen mit dem Reformstaatsvertrag und dem Rundfunkfinanzierungsänderungsstaatsvertrag getroffen wurden, müssen diese in sechszehn Landtagen über die Ziellinie gebracht werden. Hier braucht es mancherorts noch Überzeugungskraft. Die beiden Staatsverträge sind wirklich ein großer Schritt, um die Rundfunkanstalten fit für die Zukunft zu machen. Dass sich die Länder in diesem Zusammenhang auch auf ein neues Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrages hin zu einem „Widerspruchsmodell“ einigen konnten, freut mich persönlich ganz besonders. Das war die zweite Seite der Medaillie, die nach dem Rormschritt von Leipzig noch offen war. Achten müssen wir jetzt darauf, dass die Anstalten die Vision vom public value, den wir auch auf solchen privaten Plattformen, die einen besonderen Beitrag zur Vielfalssicherung leisten, zur Verfügung stellen wollen auch wirklich stringent in diesem Geiste umsetzen. Damit können wir noch mehr Menschen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten erreichen. Dass uns das gelungen ist im Staatsvertrag zu verankern, freut mich ganz besonders.

Ein großer Wurf sind auch die Maßnahmen zum Jugendmedienschutz. Es gilt nun, den 6. MÄStV zu ratifizieren und eine Einigung über die Notifizierung mit der EU-Kommission zu erreichen. Hier gibt es offenbar auf Seiten der KOM ein Missverständnis bezüglich des Spielraums der Mitgliedstaaten. Der Jugendschutz ist aber viel zu wichtig, um Spielball von Abgrenzungsfragen in Europa zu diskutieren.

Schleswig-Holstein hat sich mit allen am Hörfunk Beteiligten als erstes Land auf den Weg gemacht und den Umstieg von UKW auf DAB+ in die Hand genommen und unumkehrbahr gemacht. Bis zum Jahr 2031 soll dieses Ziel vollständig umgesetzt sein. Hieran arbeiten alle Beteiligten in Schleswig-Holstein gemeinsam „Hand in Hand“. Schon im Laufe des Jahres 2025 beenden die ersten beiden privaten Anbieter den Simulcast und verbreiten ihre Programme dann nur noch digital.

„Die wertvollen Inhalte der Spartenprogramme müssen in den Hauptprogrammen sichtbarer werden. Hier wird der Auftrag ja in ganz besonderer Weise abgebildet und erfüllt.“ Dirk Schrödter

 medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender?

Schrödter: Meine Erwartungen sind sehr klar und liegen auf der Hand. Es ist jetzt in der Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die einzelnen Bausteine der Reform Schritt für Schritt in dem Geiste umzusetzen, wie die Rundfunkkommission beschlossen hat. Da kann es kein Ausbrechen und keine Ausflüchte geben. Einiges ist ja bereits von den Anstalten auf den Weg gebracht worden. Aber natürlich gibt es auch noch viele offene Punkte. Insbesondere bei den Vorgaben zur Reduktion der Hörfunk- und Spartenprogramme im Fernsehen müssen die Anstalten Konzepte entwickeln und Entscheidungen treffen. Die wertvollen Inhalte der Sparten müssen dann in den Hauptprogrammen sichtbarer werden. Hier wird der Auftrag ja in ganz besonderer Weise abgebildet und erfüllt. Und das Gute ist, dass wir die Auftragserfüllung mit Leistungskennzahlen mess- und überprüfbar machen und auch mit Hilfe des neuen Medienrats überprüfen werden. Ich bin mir sicher, dass wir hier zu einem neuen Niveau an Auftragserfüllung kommen werden. Im Bereich der Kooperation sind die Anstalten nun am Zug, über die ersten Ansätze hinaus Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Sinne von EfA „Einer für Alle“ zu identifizieren und umzusetzen. Dies gilt im Programm, der Technik, der Verwaltung und allen übrigen Bereichen. Die Länder erwarten schon in den nächsten Jahren erste Umsetzungsschritte. Ich bin fest davon überzeugt, dass das gelingen wird.

Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt:

medienpolitik.net: Herr Robra, wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2025?

Robra: Die Medienpolitik hat 2024 im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ihre Hausaufgaben gemacht. Wir haben Handlungsfähigkeit bewiesen, Reformen angeschoben. Die kommen jetzt in die Parlamente. Wir werden dort sicher Hinweise bekommen, wo wir dann in einem nächsten Staatsvertrag nachjustieren.

Was jetzt wichtig ist, ist auch klar: ARD und ZDF haben es in der Hand, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine Finanzierung über die Haushaltsabgabe weiterhin von einem Großteil der Bevölkerung in ganz Deutschland akzeptiert wird. Im November haben die Sender zur Unzeit Verfassungsbeschwerde aus rein formalistischen Gründen erhoben. Die Ministerpräsidenten hatten einen klaren Fahrplan und haben sich davon übrigens auch nicht abbringen lassen. Die Länder wollen das Verfahren zur Festlegung der Höhe des Rundfunkbeitrags neu regeln. Dass das aktuelle Verfahren dysfunktional ist, ist mittlerweile allen bewusst. Nicht zuletzt mit Blick auf die beschlossenen Reformen wollen die Länder den aktuellen Beitrag um zwei Jahre verlängern und anschließend einen neuen Betrachtungszeitraum schaffen. Eine funktionsgerechte Finanzierung mit einer Rücklage von mehr als eine Milliarde Euro reicht, um die Kostensteigerungen 2025 und 2026 zu decken.

Leider haben die Intendanten im ersten Zuruf reflexartig verlautbart, dass nur eine Erhöhung zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für sie in Frage kommt. Das halte ich für abwegig. Wenn die funktionsgerechte Finanzierung gesichert ist, gibt es einfach keinen Grund das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Ich hoffe noch immer, dass die Senderchefs das erkennen, unseren Vorschlag vorurteilsfrei prüfen und die Verfassungsbeschwerde zurücknehmen. Die Details der Übergangszeit werden wir im Januar mit den Anstalten und der KEF erörtern.

Ähnlich lange diskutiert und auf den Weg gebracht haben wir eine Reform des Jugendmedienschutzes. Die soll 2025 umgesetzt werden. Berücksichtigt wird dann endlich, dass das Mediennutzungsverhalten der Kinder und Jugendlichen sich grundlegend verändert hat und neue Lösungen zu deren Teilhabe und zu ihrem Schutz gefunden werden müssen.

Ein größeres Augenmerk 2025 sollten wir auf die Regulierung im Bereich der privaten Medien und des Internets legen. Sowohl die veralteten Medienkonzentrationsvorschriften als auch die Auswirkungen künstlicher Intelligenz schaffen großen Handlungsdruck. Nicht alles kann und darf Brüssel hier regeln. Wir werden uns dafür einsetzen 2025 weiterzukommen und die Entwicklungen im Medienbereich nicht nur vom Denken amerikanischer Tech-Unternehmer abhängig zu machen.

 „Insgesamt erwarte ich, dass die Anstalten bei der Suche nach Vertrauen und Akzeptanz die Worte des großen Reformators Martin Luther beherzigen: Wer etwas haben will, muss auch etwas geben.“ Rainer Robra

medienpolitik.net: Die Länder haben einen sehr umfangreichen Reformkatalog erarbeitet, durch den die KEF Ende der nächsten Beitragsperiode (2025 - 2028) mit ersten Einspareffekten bei den Anstalten rechnet. Welche Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die öffentlich-rechtlichen Sender? 

Robra: Die Erwartung ist ziemlich klar. Es gilt den gesamten Reformkatalog zügig und vollständig umzusetzen. Zügig umsetzen bedeutet, dass Reformen bereits jetzt eingeleitet werden sollten. Es ist an vielen Stellen nicht nötig auf den Abschluss der Landtagsverfahren zu warten. Vieles von dem, was die Länder jetzt regeln, hätten die Rundfunkanstalten und ihre Gremien längst machen können, ohne gegen ihren Auftrag zu verstoßen. Die Begrenzung von Sportrechtekosten, die Deckelung der Gehälter der Intendanten und Direktoren, die Zusammenlegung des Betriebs und der Entwicklung der Mediatheken und weitere Zusammenarbeit sind ohne unser Zutun möglich. Vollständig umsetzen bedeutet, dass die Suche nach Schlupflöchern diesmal ausbleibt.

Hörfunkprogramme in einer klar definierten Zahl sind zum 1. Januar 2027 nicht mehr beauftragt. Die Auswahl, welche Sender weiter gebraucht werden, muss mit Blick auf die duale Rundfunkordnung erfolgen. Dort wo private Radiosender ein vergleichbares Angebot haben, ist das öffentlich-rechtlichen Konkurrenzangebot verzichtbar. Für die Gemeinschaftsangebote der ARD gilt ein klarer regionaler Fokus. Nur die deutliche Unterscheidbarkeit von ARD und ZDF rechtfertigt, dass beitragsfinanziert zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsysteme erhalten bleiben. Das muss in den Angeboten sichtbar werden. Und schließlich erwarte ich mir für die Kulturinhalte eine deutliche Stärkung durch Aufnahme von Inhalten in die Hauptprogramme von ARD und ZDF sowie die Arte-Angebote. Wir haben die Kultur bereits im Auftrag gestärkt und gehen diesen Schritt konsequent weiter. Insgesamt erwarte ich, dass die Anstalten bei der Suche nach Vertrauen und Akzeptanz die Worte des großen Reformators Martin Luther beherzigen: Wer etwas haben will, muss auch etwas geben.

 

 

 

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