„Facebook wird es auch in 20 Jahren noch geben“

01. Februar 2024
Prof. Dr. Andreas Rauscher, Medienwissenschaftler an der Universität Freiburg
Prof. Dr. Andreas Rauscher, Medienwissenschaftler an der Universität Freiburg
Am 4. Februar 2004 ging das soziale Netzwerk an den Start, in Deutschland sind die 30- bis 49-Jährigen am aktivsten

Interview mit Prof. Dr. Andreas Rauscher, Medienwissenschaftler an der Universität Freiburg

Es begann als Projekt dreier Studenten in Harvard: Am 4. Februar 2004 ging Facebook an den Start. Es war ein Pionier unter den sozialen Netzwerken und hat mittlerweile mehr als 2 Milliarden aktive Nutzerinnen und Nutzer pro Tag. Etwa die Hälfte kommt aus dem asiatisch-pazifischen Raum und hier insbesondere aus Indien. Auch in Deutschland spielt Facebook noch immer eine große Rolle: Zwei Drittel der Internetnutzerinnen und -nutzer (68 Prozent) sind laut einer Bitkom-Umfrage dort unterwegs, so viele wie in keinem anderen sozialen Netzwerk. 31 Prozent posten dort auch aktiv Beiträge oder laden Inhalte hoch, die anderen lesen lediglich mit. Die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen sticht dabei besonders heraus: Unter ihnen posten und teilen sogar 41 Prozent aktiv auf Facebook Beiträge – das sind doppelt so viele wie bei den 16- bis 29-Jährigen, wo lediglich jeder und jede Fünfte (19 Prozent) die Plattform aktiv nutzt. Unter den 50- bis 64-Jährigen postet knapp ein Drittel (31 Prozent) eigene Beiträge, bei den über 65-Jährigen sind es 23 Prozent. Insgesamt nutzen mehr als 50 Millionen Deutsche soziale Medien – das entspricht 89 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer.

Zum 20. Geburtstag von Facebook spricht Prof. Dr. Andreas Rauscher, Medienwissenschaftler an der Universität Freiburg, über das weltweit meistgenutzte soziale Netzwerk. Im Interview gibt er Einblick in die Erfolgsgeschichte des Unternehmens und über die Zukunft der sozialen Medien.

20 Jahre Facebook – wie erklären Sie den Erfolg des sozialen Netzwerks?

Rauscher: Die Erfolgsgeschichte von Facebook setzt sich so zusammen, dass es einerseits neue Vernetzungsmöglichkeiten anbot und gleichzeitig auf geschickte Weise vermarktet wurde. Hinzu kam auch, dass man hier eine neue Möglichkeit hatte, Privates und Berufliches zu teilen und damit das eigene Netzwerk gut zu informieren. Der niedrigschwellige Zugang trägt auch zum Erfolg bei. Der Einstieg relativ überschaubar und gut zugänglich, im Vergleich zu anderen Plattformen, die heute nicht mehr wirklich präsent sind. Dazu zählt Beispiel Myspace oder andere Netzwerke, die es in ähnlicher Weise vor Facebook gab. Dazu kommt natürlich noch die geschickte Geschäftspolitik von Mark Zuckerberg, mit der er immer wieder potenzielle Konkurrenten wie etwa WhatsApp aufkaufte und in seinen Konzern integrierte.

Welchen Einfluss hatte Facebook in den vergangenen 20 Jahren auf den gesellschaftlichen Diskurs?

Rauscher: Der Einfluss Facebooks auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess ist zweischneidig. Einerseits hat man hier die Möglichkeit, auf Veranstaltungen aufmerksam zu machen, sich in Fachgruppen auszutauschen, alte Bekannte und Freunden wiederzufinden, aber andererseits ist es natürlich, gerade in Hinblick auf sogenannte Filterblasen, auch ziemlich riskant. Desinformation und Verschwörungstheorien sind die Schattenseite. In der Zeit vor Facebook hätten diese nur einzelne Akteure verbreitet, die vielleicht nicht weiter gefährlich gewesen wären. Auf Facebook konnten sie auf einmal ein viel breiteres Publikum erreichen und das ist durchaus eine problematische Seite des sozialen Netzwerks.

 Wie müssten Konzerne wie Meta stärker in die Verantwortung genommen werden?

Rauscher: Algorithmen funktionieren so, dass sie besonders die Inhalte stärker verbreiten, die möglichst emotionale Reaktionen und einen möglichst langen Diskussionsverlauf mit sich bringen – also das, was man in der Theorie Aufmerksamkeitsökonomie nennen würde. So kann es dazu führen, dass der Algorithmus hauptsächlich Inhalte auswählt, die auf Empörung und Emotionalisierung abzielen und so eine gewisse Sachlichkeit, die sonst in der kritischen Auseinandersetzung mit schwierigen Themen im Mittelpunkt gestanden hätte, immer weiter zurückgedrängt wird. Diese Dynamik wurde in zahlreichen Diskussionen rund um Facebook immer wieder thematisiert. Hier müssen die Konzerne, wie Meta, in die Verantwortung genommen werden, damit sie überhaupt gegensteuern.

„Ob es in 20 Jahren auch noch für die zukünftige Medienkultur relevant sein wird, steht auf einem anderen Blatt.“

Wie einflussreich ist Facebook und Zuckerbergs Konzern Meta weiterhin?

Rauscher: Ich denke dadurch, dass Mark Zuckerberg weitere Plattformen in seinem Unternehmen vereint, hat es natürlich schon einen wichtigen Einfluss weltweit. Facebook selbst ist zwar international nicht mehr ganz so gefragt, aber trotzdem sind Milliarden von Nutzer immer noch auf der Plattform aktiv. Außerdem ist es auch so, dass ältere Personen Facebook noch relativ stark nutzen. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass viele User einfach auf eine andere Plattform innerhalb des gleichen Konzerns wechseln – wie zum Beispiel zu WhatsApp. Die Schwierigkeit dahinter ist, dass Ideen hinter Zuckerbergs Konzept der sozialen Medien stehen, die in der Kulturwissenschaft als die kalifornische Ideologie bezeichnet worden sind. Dabei wird ein Wettstreit der Meinungen befördert. Das ist einerseits natürlich eine Austauschmöglichkeit, zum Beispiel für progressive Protestbewegungen, um Gegenöffentlichkeit zu schaffen und zu informieren. Andererseits kann das aber natürlich auch für krude Verschwörungstheorien missbraucht werden.

Wie wird die Zukunft sozialer Netzwerke und von Facebook aussehen?

Rauscher: Was noch Zukunftsmusik ist oder vielleicht auch ein bisschen Wunschdenken von Mark Zuckerberg, ist das sogenannte Metaverse, das er stark fördert. Beim Metaverse handelt es sich um eine Idee, die eigentlich aus dem Science-Fiction-Roman Snow Crash des Schriftstellers Neal Stephenson stammt. Darin verlagert sich das reale Leben soweit in virtuelle Welten, dass man dort ganze eigene Parallelgesellschaften hat. Ich glaube aber nicht, dass das auf einer breiten Basis so viel Anklang findet. Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut, zeigt sich die virtuelle Realität im Alltag jedoch mehr in Formaten, die unter anderem auf Augmented Reality aufbauen – eine Mischform aus realen Ansichten und virtuellen Overlays. So kann man sich zum Beispiel in einer Ausstellung mithilfe des Handys mit zusätzlichen Animationen informieren und zusätzliche audiovisuelle Ebenen einblenden. Facebook wird es in 20 Jahren als eine Art Eckpfeiler für Zuckerbergs inzwischen in Meta umbenannten Konzern noch geben. Es wird zur Markenpflege dienen und aufgrund der starken kulturhistorischen Bedeutung sicher noch weiter Bestand haben. Ob es in 20 Jahren auch noch für die zukünftige Medienkultur relevant sein wird, steht auf einem anderen Blatt.

https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/expertendienst/facebook-wird-es-auch-in-20-jahren-noch-geben

 

PD Dr. habil. Andreas Rauscher (*1973), Professor für Medientheorie und Mediengeschichte an der Hochschule Kaiserslautern und Vertretungsprofessor für Medienkulturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, lehrt als Privatdozent für Filmwissenschaft und Mediendramaturgie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, sowie an der Hochschule Darmstadt-Dieburg und an der Filmakademie Ludwigsburg. Er war von 2014 bis 2020 Akademischer Rat auf Zeit für Medienwissenschaft (Schwerpunkt Film, Games und Medienästhetik) an der Universität Siegen, außerdem war er Vertretungsprofessor an den Universitäten Kiel und Mainz. Forschungsschwerpunkte: Transmediale Filmgeschichte, Game Studies, Cultural Studies und Netzkultur, Genretheorie (insbesondere Science-Fiction und Phantastik), Medienästhetik, Mediendramaturgie, Film und Popkultur, Comicforschung. Kurator für das Frankfurter Filmmuseum (Ausstellung Film & Games, 2015) und freier Journalist (epd Film, testcard, u.a.). Monographien über das Phänomen Star Trek (Promotion im Fach Filmwissenschaft 2002), Genrekonzepte in Videospielen (Habilitation in den Fächern Filmwissenschaft und Mediendramaturgie 2011) und die Star Wars-Saga. Veröffentlichte als Mitherausgeber film- und medienkulturwissenschaftliche Bücher u.a. über die Tschechoslowakische Neue Welle, David Lynch, John Carpenter, die Simpsons, zur Comicanalyse und verschiedenen Themen der Game Studies.

 

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