Von Helmut Hartung, Chefredakteur www.medienpolitik.net
So langsam kann sich die Öffentlichkeit darauf einstellen, dass die Gebührenkommission KEF eine Beitragserhöhung für 2025 beschließen wird. Nach den bisher bekanntgewordenen Informationen könnte er von jetzt 18,36 Euro auf knapp 19,00 Euro steigen. Würde die KEF nur allein die Anmeldungen der Anstalten als Basis nehmen, erhöht er sich sogar monatlich auf etwa 20,00 Euro. Oliver Schenk, Chef der Staatskanzlei in Sachsen und Koordinator der CDU/CSU sagte im Juli der FAZ, dass die Rundfunkkommission davon ausgehe, dass die KEF „mit spitzem Bleistift“ rechne und alle Einsparmöglichkeiten berücksichtige. Weniger optimistisch zeige er sich jedoch bei den Reformvorhaben der öffentlich-rechtlichen Sender. Diese seien bisher nicht ausreichend und ließen sich nicht quantifizieren. Hier müsste bis zum Herbst nachgesteuert werden. Dabei würden geplante Kooperationen, ein Mantelprogramm für die Dritten, Shared Service Center, der Abbau von Doppelstrukturen und die Einstellung non-linearer Programme durchaus Einsparpotenzial bieten. Sie müssten aber mit einem Preisschild versehen werden, so Schenk. Der sächsische Staatskanzleichef Oliver Schenk und andere skeptische Medienpolitiker der Länder können auf konkrete Sparvorschläge der ARD „bis Herbst“ nicht mehr hoffen. Und vom ZDF ist sowieso nichts zu hören. Auch nach der dritten Beratungsrunde aller ARD-Intendanten in diesem Jahr in Frankfurt liegen keine messbaren Einsparungen, die den Beitrag stabil halten könnten, auf dem Tisch. Jetzt ruht alle Hoffnung auf dem Zukunftsrat.
„Die ARD hat einen entscheidenden Schritt in ihrer Reform des öffentlich-rechtlichen Senderverbunds gemacht, heißt es in der gestrigen Pressemeldung über die jüngste Intendantentagung. Das klingt so, als gäbe es ein Reformkonzept, das mehrere Teilschritte, das genau das Ziel und die Effekte beschreibt. Ich kenne ein solches Gesamtkonzept nicht. Vielleicht existiert es aber und man will die Öffentlichkeit nicht überfordern und die Reförmchen lieber Scheibchen für Scheibchen verkünden. Da fällt es auch nicht auf, wenn bei den angekündigten Vorhaben mal das eine oder andere zwischendurch abhandenkommt. So hieß es nach dem Treffen im April: „Dabei geht es darum, Effizienz und Exzellenz miteinander zu verbinden: Mehr Sender-übergreifende Zusammenarbeit wird Ressourcen freimachen. Auf einige Angebote wird in Zukunft verzichtet. Die so frei gewordenen Mittel werden für die digitale Transformation der ARD eingesetzt.“ Nur einen Tag später, als die Bedarfsanmeldung der ARD für 2025 -2028 bei der KEF vorlag, war klar, dass die ARD 328 Mio. Euro mehr vom Beitragszahler fordert, um den digitalen Umbau des Rundfunkverbunds voranzutreiben. Die Reformen der ARD sollen nicht dazu dienen, um den Bürger zu entlasten, sondern sie stellt für die „digitale Transformation“ auch noch zusätzliche Rechnungen.
„Da Nutzerinnen und Nutzer auf Twitter in erster Linie aktuelle Informationen erwarten, wird sich die ARD hier künftig auf Nachrichten, politische Berichterstattung und investigative Inhalte fokussieren. Twitter-Kanäle, die dieser Ausrichtung nicht entsprechen, werden mit wenigen Ausnahmen eingestellt. Weil derzeit unklar ist, wie sich Twitter weiterentwickelt, beobachtet das ARD Partnermanagement Social Media die Plattform genau“, so steht es ebenfalls in der bereits zitierten Pressemeldung. Nur: Wann das erfolgt, welche der Angebote betroffen sind, erfährt man nicht. Zudem ist keine Rede davon, auch anderes überbordendes Engagement auf Drittplattformen zu überprüfen. Noch ein weiteres Projekt wurde im April verkündet: „Der wichtigste Schritt auf dem Weg in die digitale Zukunft der ARD ist aktuell die Weiterentwicklung des gemeinsamen Streaming-Netzwerkes mit dem ZDF. Beide Partner greifen in Zukunft automatisch auf Bilder und Videos des jeweils anderen zu. In einigen Bereichen, etwa bei Dokumentationen, werden bereits heute Angebote von ARD oder ZDF in der Mediathek des jeweils anderen empfohlen.“ Seitdem war von diesem „wichtigsten Schritt“ anscheinend bei den ARD-Tagungen nie wieder die Rede. Auch dafür existieren weder ein Zeitplan noch eine genaue Planung der Kosten und möglichen Einsparungen.
„Nach all den unzureichenden Beschlüssen in diesem Jahr und den Erfahrungen mit der öffentlich-rechtlichen ‚Großzügigkeit‘ beim Geldausgeben klingt es wie Hohn, wenn der ARD-Vorsitzende behauptet, dass die Gemeinschaft ‚das Schicksal in die eigenen Hände‘ nehmen werde.“
Nach der nächsten Intendantentagung im Juni verkündete die Pressemeldung: „Jetzt wird es konkret“. Leider war das, was die Anstalten mitzuteilen hatten, eher unkonkret. Dafür heißt es prosaisch im Stil eines Kommuniqués: "Die Chefinnen und Chefs von neun starken und eigenständigen ARD Medienhäusern haben sich entschlossen hinter einer gemeinsamen Idee versammelt: Wir rücken enger zusammen und stärken das A in ARD - die Arbeitsgemeinschaft. Wir formen die ARD der Zukunft - für alle Menschen in Deutschland, die von uns zu Recht exzellente und effiziente Arbeit erwarten. Das ist ein entscheidender Schritt," so der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke. Man fragt sich natürlich unbewusst, wie hat denn diese Arbeitsgemeinschaft in den vergangenen 73 Jahren seit ihrer Gründung 1950 gearbeitet? Bestand nicht bisher schon der Auftrag in einer „exzellenten und effizienten“ Arbeit? Als neue Erkenntnis konnte nach der Tagung verkündet werden, dass es viel Kompetenz in der ARD gäbe, die gebündelt noch stärker werde. Dafür sollen im Jahr 2024 drei Kompetenzcenter die Arbeit aufnehmen, die dann alle ARD-Anstalten in den Bereichen Klima, Verbraucher und Gesundheit mit Inhalten beliefern sollen. Bei der jüngsten Tagung am 12. und 13.September wurde nun die Zulieferung verteilt. Für das Kompetenzcenter "Gesundheit" ist der NDR, für "Verbraucher" sind SWR und WDR und für "Klima" HR, MDR, SWR zuständig. Dass die Federführung verschieden gehandhabt werden soll, hängt nicht mit der Kompliziertheit der Themen zusammen, sondern „im ersten Schritt der Verteilung werden drei Konstellationen getestet: die einfache, zweifache und dreigeteilte Federführung.“ Es ist wirklich nicht so einfach, wenn die Arbeitsgemeinschaft „enger“ zusammenrückt. Auch bei diesem Thema, obwohl seit der Ursprungsidee ausreichend Zeit zum Rechnen war, existieren keine nachprüfbaren Prognosen über mögliche wirtschaftliche Effekte.
Auch die Prosa-Pressemeldung vom Juni hat deutlich gemacht, wie der Senderbund die Aufforderung der Politik, der KEF aber auch Öffentlichkeit versteht, zu sparen. So heißt es dort unmissverständlich: „Die ARD erwirtschaftet rund 250 Millionen Euro in der kommenden Beitragsperiode 2025 bis 2028 zusätzlich für journalistische Angebote im Digitalen. Ziel ist, auch im Sinne der Generationengerechtigkeit, vor allem jüngere Menschen, die lineare Verbreitungswege wenig oder gar nicht nutzen, mit den vielfältigen Inhalten der ARD zu erreichen.“ Wie das Geld „erwirtschaftet“ werden soll, wird nicht gesagt. Dabei wäre doch interessant, mal zu erfahren, wo die Anstalten selbst die Möglichkeiten für Einsparungen sehen, die auch dem Beitragszahler einen finanziellen Nutzen bringen. Der RBB könnte dafür inzwischen, dank der Entscheidungen der zeitweiligen Intendantin Katrin Vernau und des aktuellen Entwurfs der Novelle des RBB-Staatsvertrages, zum Vorbild werden.
Im März hatte Kai Gniffke bei einer Veranstaltung der Christdemokraten in Berlin gesagt, die ARD wolle „ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen“. Auch ohne die Empfehlungen der KEF werde sie kleiner, versicherte Gniffke. Er bekräftigte wortreich die Pläne, die unter anderem Poollösungen für Hörfunkprogramme, ein Mantelprogramm für die Dritten Programme und die Einrichtung von Kompetenzzentren vorsehen. Bis Juni, so der ARD-Vorsitzende, würde dafür ein konkretes Konzept vorliegen. Jetzt ist weder von einem Mantelprogramm, noch von einem detaillierten Beschluss die Rede. Auch die Poollösungen für Hörfunkprogramme verharren in Ansätzen. Nach all den allgemeinen Beschlüssen in diesem Jahr und den Erfahrungen mit der öffentlich-rechtlichen „Großzügigkeit“ beim Geldausgeben klingt es wie Hohn, wenn der ARD-Vorsitzende behauptet, dass die Gemeinschaft „das Schicksal in die eigenen Hände nehmen werde“. Bisher wurde maximal nur das umgesetzt, was die Politik rechtlich verankerte und noch nicht einmal das.