Interview mit Margret Albers, Projektmanagerin Förderverein Deutscher Kinderfilm
„Es ist dem Engagement und den gemeinschaftlichen Anstrengungen der Förderungen des Bundes und der Länder sowie der Fernsehsender und weiterer Branchenplayerrn zu verdanken, dass sich Kinderfilme sowohl zu einer wirtschaftlichen als auch einer kulturellen Größe in der deutschen Filmlandschaft entwickeln konnten“ stellt der Förderverein Deutscher Kinderfilm seiner Stellungnahme zur FFG-Novellierung voran. Beeindruckendes Indiz dafür sei unter anderem die Eröffnung der Sektion Generation Kplus der Berlinale mit dem 11. Besonderen Kinderfilm „Sieger Sein” von Soleen Yusef. Die Fortführung dieser positiven Entwicklung stehe auf dem Spiel. Der vorgelegte FFG-Entwurf sowie weitere Entwicklungen des Reformprozesses ließen befürchten, dass der Kinderfilm bei der Neugestaltung der Filmförderung des Bundes unter die Räder komme, so der Förderverein. Seit seiner Gründung vor über 40 Jahren setze er sich für bessere, vielfältige und speziell auf Kinder zugeschnittene Medienangebote ein. Die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sei eine Investition in das Publikum von morgen.
medienpolitik.net: Frau Albers, wie läuft gegenwärtig die Förderung von Kinderfilmen für das Kino und was bewirkt sie?
Albers: In der deutschen Förderlandschaft gibt es eine spezielle Kinderfilmförderung, und zwar - seit 2005 gemeinschaftlich mit dem Kuratorium junger deutscher Film (KjdF) - im Rahmen der kulturellen Filmförderung des Bundes. Ein gemeinsames Gremium, in dem auch Länderförderungen vertreten sind, fördert die Entwicklung (aus Mitteln des KjdF) und die Produktion (aus Mitteln der BKM). Hinzu kommt das Engagement der FFA - so ist im aktuellen FFG bei den Förderhilfen zur Projektfilmförderung festgelegt, dass im angemessenen Umfang u.a. auch Kinderfilmprojekte, die auf Originalstoffen beruhen, gefördert werden. Zudem fördern die Länderförderer regelmäßig Kinderfilmprojekte. Und alle miteinander engagieren sich in der Initiative "Der besondere Kinderfilm", aus der elf Filme in elf Jahren hervorgegangen sind. Jüngstes Beispiel ist "Sieger Sein" von Soleen Yusef, mit dem die Sektion Generation Kplus der Berlinale am 16. Februar eröffnet wurde.
Das vielseitige Engagement aller Förderinstanzen hat dazu geführt, dass sich das Kinderfilmsegment in den letzten Jahren erfolgreich ausdifferenzieren konnte: Von Marken wie "Die Schule der Magischen Tiere" über Dokumentarfilme wie "Checker Tobi und die Reise zu den Fliegenden Flüssen" bis hin zu Originalstoffen wie "Mission Ulja Funk". Laut FFA waren 2022 waren 8,9 Prozent und 2023 7,6 Prozent der erstaufgeführten deutschen Filme Kinderfilme, die allerdings 2022 35,4 Prozent und im vergangenen Jahr 29,7 Prozent der Tickets für deutsche Filme erzielten. Zweierlei wird damit deutlich:
- 13,2 Prozent der deutschen Bürger sind unter 14 Jahre alt - insofern ist bezüglich der Anzahl der Filme noch Luft nach oben.
- Aufgrund ihres überproportionalen Erfolges sind Kinderfilme eine wesentliche Säule der deutschen Filmwirtschaft
medienpolitik.net: Welche Bedeutung haben Kinderfilme für das Kino als attraktiven Kulturort?
Albers: Damit Kinder überhaupt den Kulturort Kino kennenlernen können, bedarf es Produktionen, die für sie gemacht sind. Je größer die Vielfalt, Attraktivität und thematische Relevanz dieser Produktionen, umso attraktiver wird dieser Kulturort für junge Menschen - insofern hat dieses Segment der Filmproduktion für die Kinos eine große Bedeutung und es gibt einen Bedarf.
medienpolitik.net: Wie „verteilt“ sich die Förderung von Kinderfilmen auf die BKM-Förderung, die FFA und die Länder?
Albers: Exakte Zahlen bezüglich des Prozentsatzes an Förderung, die in den Kinderfilm geht, liegen nicht vor.
medienpolitik.net: Die Regelung für die Referenzfilmförderung im neuen FFG soll, anscheinend zuungunsten von Kinderfilmen, geändert werden. Was ist geplant?
Albers: So pauschal kann man das nicht konstatieren. Der nun vorliegende Entwurf des FFG ist lediglich einer von vier für die Reform vorgesehenen Bausteine der Filmförderung des Bundes und sieht eine Fokussierung auf die Referenzfilmförderung vor. Eine selektive, also durch Gremien vergebene Förderung für Stoffentwicklung oder Produktion ist nicht mehr vorgesehen. Die Referenzpunkte sollen insbesondere aus dem Zuschauererfolg sowie dem Erfolg bei international bedeutsamen Festivals und Preisen ermittelt werden. Bezüglich der Zuschauerzahlen ist eine Sonderregelung für Kinder-, Dokumentar- und Talentfilm vorgesehen: 10.000 statt 25.000 pro Jahr. Welche Festivals, Preise oder weitere vergleichbare Erfolgskriterien für die Zuerkennung von Referenzpunkten relevant sind, soll vom Verwaltungsrat mit einer Richtlinie festgelegt werden.
„Aufgrund ihres überproportionalen Erfolges sind Kinderfilme eine wesentliche Säule der deutschen Filmwirtschaft.“
medienpolitik.net: Was bedeutet das künftig für die Förderung von Kinderfilmen?
Albers: Da erst dieser eine Baustein vorliegt, ist dies schwer abzuschätzen. Es gibt derzeit einfach mehr Fragen als Antworten. Für große Firmen mit regelmäßigem Output ist dieser Entwurf der Referenzfilmförderung attraktiv. Ebenso ist zu begrüßen, dass Autoren und Regisseure künftig Referenzmittel erhalten, um neue Projekte entwickeln zu können. Schwieriger wird es für kleinere Firmen: Man muss ja erstmal Schwellen überschreiten, also bereits Filme auswerten, um überhaupt an dieser Förderung partizipieren zu können. Wie gesagt, sind diese Schwellen über den Zuschauererfolg hinaus, nicht gesetzlich festgelegt. Uns ist diese Formulierung zu allgemein und insofern fordern wir den Zusatz in § 62,3 Außerdem ist der Festivalpraxis von Kinder- und Dokumentarfilmen ausreichend Rechnung zu tragen.
Allerdings ist selbst mit diesem Zusatz sehr offen, welche Festivalteilnahmen, Auszeichnungen usw. zur Zuerkennung von Referenzpunkten in welchem Umfang führen - die Spanne liegt zwischen 25.000 und 200.000 Punkten. Wir können in diesem Kontext nicht nachvollziehen, warum die Prädikate der Deutschen Filmbewertung (FBW) nicht mehr gesetzlich als kulturelles Kritierum anerkannt werden - Prädikate, die vor allem Talent- und Debütfilme sowie Kinderfilme unterstützen, Referenzmittel in Anspruch nehmen zu können, öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren und jenseits von Festivalteilnahmen beantragbar sind. Hinzu kommt, dass mit den FBW-Jugendjurys partizipative Ansätze verfolgt werden. Die Mitglieder dieser Jurys bewerten nicht nur Filme, die für sie gemacht sind, sondern sind auf diversen Veranstaltungen als Vertreter ihrer Altersgruppen aktiv und übernehmen die Nominierung für den Drehbuchpreis "Kindertiger". Warum ich darauf so ausführlich eingehe? Eine substantielle Schwächung der FBW wird mit großer Wahrscheinlichkeit zur Folge haben, dass eines der wenigen partizipativen Projekte in der Filmbranche nicht mehr fortgesetzt werden kann.
medienpolitik.net: Die Finanzierung der Bundes-Filmförderung soll wesentlich auf ein Steueranreizmodell und eine Investitionsabgabe umgestellt werden. Erwarten Sie dadurch, dass auch die Produktion von Kinderfilmen für das Kino davon profitiert?
Albers: Sowohl das Filmförderungszulagengesetz als auch das Gesetz zur Förderung europäischer Werke durch Direktinvestition sind aktuell in einem Diskussionsstadium und werden kontrovers diskutiert. Gerade Steuererleichterungen werden sich positiv auf Filmproduktionen aller Art auswirken und freilich hoffen wir, dass bei der Ausgestaltung der Gesetze Filme für das junge Publikum angemessen berücksichtigt werden. In der Filmförderung des Bundes spielt die eingangs erwähnte kulturelle Filmförderung der BKM für den Kinderfilm eine gewichtige Rolle: Aktuell werden Kinderfilme häufig sowohl von BKM/KjdF als auch von der FFA selektiv und automatisch vom DFFF gefördert - wenn beide nationalen Förderungen sich beteiligen, gibt es beim DFFF den sogenannten "Booster", also 20Prozent der Kosten.
Seitens der FFA soll keine selektive Förderung mehr erfolgen, die kulturelle Filmförderung der BKM soll in die „neue FFA“ überführt werden. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, die Budgets so zu gestalten, dass Finanzierungsanteile, die zuvor von zwei unterschiedlichen selektiven Förderungen erbracht wurden, nun von einer erbracht werden können - ansonsten sind erhebliche Finanzierungslücken zu erwarten. Wir warten nun auf den Entwurf der neuen Richtlinie für die kulturelle Filmförderung. Das Kuratorium junger deutscher Film soll sich künftig ausschließlich um Talentfilm kümmern, so dass eine Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit BKM-KjdF für den Kinderfilm wohl nicht fortgesetzt wird. Gleichwohl hoffen wir auf die Fortführung einer spezifischen Kinderfilmförderung im Rahmen der kulturellen Filmförderung.
medienpolitik.net: Sie fordern, dass für den erweiterten Verwaltungsrat (§6 FFG) der FFA mindestens ein Mitglied aus der Kinderfilmbranche benannt wird. Warum?
Albers: Kinderfilme sind von großer kultureller und wirtschaftlicher Relevanz. Außerdem gilt es eine Altersgruppe, die nicht direkt in politische Prozesse eingebunden ist, adäquat zu repräsentieren. Der Gesetzentwurf ist ein Gerüst - die präzise Ausgestaltung erfolgt über Richtlinien, die vom Verwaltungsrat erarbeitet werden. Insofern ist ein Mitsprachrecht hier wichtiger denn je, damit der Kinderfilm nicht ins Abseits gerät.
medienpolitik.net: Welche weiteren Wünsche haben Sie für die Reform der Filmförderung, die den Kinderfilm betreffen?
Albers: Das FFG ist ja nur ein Teil der Reform der Filmförderung des Bundes. Die kommenden 10 Monate werden sportlich, um ein überzeugendes Paket aus drei Gesetzen und einer Richtlinie zu schnüren. Ich wünsche mir trotz Zeitdruck Weitsicht und Offenheit aller Beteiligten, damit hierzulande ein vielfältiges Kinderfilmangebot eine Zukunft hat.