Regulierung als Garant für Freiheit und Demokratie

04. März 2024
Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM)
Eva Flecken, Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM)
Das nationale Medienrecht nimmt alldiejenigen in die Pflicht, die Medieninhalte aggregieren, selektieren und ordnen

Von Dr. Eva Flecken, Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) sowie der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM)

Im selbsternannten Land der Dichter und Denker wird seit geraumer Zeit viel gebrüllt und ordentlich gemeint. Statt Florett herrscht Holzhammer. Und dennoch gibt es die Mär, dass man hierzulande nichts mehr sagen dürfe. Ist das nicht ein faszinierender Widerspruch? Jedenfalls ein Widerspruch, der auch uns Landesmedienanstalten umtreibt. Jetzt ließe sich fragen, warum sich die Medienaufsicht von derlei globalgalaktischen Entwicklungen die Sorgenfalten auf die Stirn treiben lässt. Nun, weil wir nicht nur der Medienvielfalt und der Meinungsfreiheit verpflichtet sind, sondern weil mit dem föderalen Medienrecht, das die Grundlage für unsere Arbeit bildet, ja gerade der Rahmen für einen freiheitlichen Diskurs geschaffen wird. Doch nicht nur das, wir als diejenigen, die staatsfern und unabhängig ebenjenes freiheitswahrende Recht durchsetzen, werden gelegentlich selbst zur Zielscheibe der Brüller und Meiner. Dies zusammengenommen scheint Anlass genug, sich dem Verhältnis von Freiheit und Regulierung zu widmen und Ableitungen für die Gegenwart und die Zukunft der Medienregulierung zu wagen.

Wir als Individuen haben allesamt das Recht, unsere Meinung frei zu äußern. Beinahe jeden Unfug kann ich auf ein Plakat schreiben und mich in Berlin Mitte zwischen Bundeskanzleramt und Reichstag auf die grüne Wiese stellen – und das ist gut so. Wir als Gesellschaft sind aufgefordert, den oftmals anstrengenden Weg zwischen Rede und Gegenrede zu gehen. Nun setzt das Recht auf Meinungsfreiheit voraus, dass sich Meinung überhaupt frei bilden kann. Hier beobachten wir zwei besonders gefahrengeneigte Tendenzen, die erstens Vertrauen in Medien und zweitens in den demokratischen Diskurs insgesamt erschüttern.

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass wir eine konvergente Regulierung brauchen, wenn es um journalistische Sorgfaltspflichten geht. Es macht keinen Unterschied, ob ein Journalist fürs Radio, eine TV-Redaktion oder einen Nachrichtenblog tätig ist. Überall gilt, dass der Medienschaffende journalistisch handwerklich sauber arbeiten muss. Es macht aber sehr wohl und in Hinblick auf die Meinungsfreiheit richtigerweise einen Unterschied, ob statt einer Redaktion eine Privatperson kommuniziert. Da, wo im Mantel vermeintlicher journalistischer Sachlichkeit systematisch, mit bisweilen enormen Reichweiten gezielt destabilisierende Desinformation gestreut wird, braucht es regulatorische Zähne, die dort ansetzen, wo das journalistische Handwerk missachtet wird.

Dies führt uns zum zweiten Punkt, einem eher technologischen Aspekt. Es dürfen keine Mehrheitsmeinungen suggeriert (oder besser: organisiert) werden, wo es sie nicht gibt. Zielgenaue und durch Algorithmen oder KI getriebene Desinformation hat das Potential, den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beeinflussen. Dieses sogenannte Coordinated Inauthentic Behaviour (CIB) steht dem demokratischen Grundgedanken der freien Meinungsbildung entgegen. Hier bietet das Medienrecht bislang nur wenig Ansatzpunkte. Die unabhängige und staatsferne Medienregulierung ist aber fraglos der richtige Ort, derlei vorkehrende Regelungen zur Ausgestaltung einer freiheitlichen Kommunikationsordnung zu treffen.

„Regulierung ist keinesfalls die Antipode von Freiheit, sondern vielmehr ihr Garant. Medienregulierung garantiert die freie Meinungsbildung und auch die Medienvielfalt.“

Damit wird deutlich, dass Regulierung keinesfalls die Antipode von Freiheit ist, sondern vielmehr ihr Garant. Medienregulierung garantiert die freie Meinungsbildung und auch die Medienvielfalt. Der deutsche Gesetzgeber, also die Länder, haben hier in den vergangenen Jahren einen vorausschauenden Weg eingeschlagen. Das nationale Medienrecht nimmt mittlerweile alldiejenigen in die Pflicht, die Medieninhalte aggregieren, selektieren, ordnen – schlicht: anbieten. Das kann der Smart-TV oder das Car-Entertainment-System sein, und auch Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen sind heute Adressaten der nationalen Medienregulierung. Zudem führten die Länder, wie oben bereits dargestellt, ein, dass sich nicht nur die klassischen Rundfunkveranstalter an journalistische Standards zu halten haben, sondern auch journalistisch-redaktionelle Onlinemedien diese Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben. Was die Länder geschafft haben: Das deutsche Medienrecht ist damit in Hinblick auf seine Adressaten schon mal ziemlich zielgenau. Und wie steht es nun um die Regulierungssystematik, um die Verhältnismäßigkeit unseres Instrumentenkastens?

Klar, es ist knackig und klickt sich gut, wenn die Medienanstalten als Zensurbehörde dargestellt werden. Jenseits dessen, dass derlei Vergleiche von tumber Geschichtsignoranz zeugen – wir können ja mal überlegen, wie ein Leben unter repressiver Staatszensur wirklich aussieht – herrscht hier ein, sagen wir mal, Missverständnis vor: Rechtsdurchsetzung und Verbote sind keine Zensur.

Der Unterschied zwischen ex ante und ex post ist nämlich wahrlich keine Kleinigkeit, sondern konkrete freiheitswahrende Mechanik. Die medienrechtliche ex ante Regulierung ist aus guten Gründen ausgesprochen zurückhaltend, niemals auf Inhalte bezogen und somit Rahmen gebend. Ja, wir haben noch eine Zulassungspflicht für den Rundfunk, an der die Medienanstalten übrigens nicht hängen. Das ist klassische ex ante Regulierung, aber eben auf Anbieter und nicht auf Inhalte bezogen. Inhalte werden immer nur ex post, also nach der Veröffentlichung, in den regulatorischen Blick genommen. Diese vielleicht feinsinnig daherkommende Unterscheidung zeigt, dass unser Medienrecht den Wert der Meinungsfreiheit inhaliert hat, sodass wir als Rechtsanwender ihn atmen können.

Damit wären wir bei der Nabelschau: Wir brauchen, wie immer im Leben, nicht nur schöne Gesetze, sondern auch effektive Rechtsdurchsetzung, womit wir bei den Medienanstalten wären. Wer Medienrecht umsetzt, operiert an der Herzkammer der Medienvielfalt und Meinungsfreiheit.  Und diese Herzkammer gehört geschützt. Geschützt vor ideologiegeleiteten oder auch nur politisch motivierten Eingriffen. Daher ist es unabdingbar, die Verfasstheit der Medienaufsicht nicht nur zu respektieren, sondern auch ihren Wert zu erkennen: unabhängig, staatsfern und föderal. Die Landesmedienanstalten sind keine nachgeordneten Behörden, unsere Direktoren und Direktorinnen und Präsidenten werden nicht von staatlichen Stellen ernannt, und zudem sind wir ein Zusammenschluss aus 14 gleichberechtigten Stimmen. Für diesen Wert haben wir in Deutschland glücklicherweise nicht nur ein abstraktes Gespür, sondern es tief in unsere Verfassung und Rechtsprechung sowie unser Institutionsgefüge eingebaut. Das ist eine wirklich gute Idee. Gerade in diesen Zeiten.

 

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