
Fragen an Björn Böhning, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) und Sprecher des Gesamtvorstandes der Produktionsallianz
Die SPIO vertritt 16 Berufsverbände und Unternehmen der Sparten Filmproduktion, Filmverleih, Filmtheater und Audiovisuelle Medien, die insgesamt über 1.400 Mitgliedsfirmen repräsentieren. Zu den wichtigsten Aufgaben 2025 gehört für den Dachverband der Produktions-, Verleih- und Kinowirtschaft, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche deutlich zu verbessern. Dafür sei der Zusammenhalt innerhalb der Filmwirtschaft, wie SPIO-Präsident Björn Böhning betont, notweniger denn je. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, wie wichtig der Schulterschluss gegenüber der Politik sei. Nur gemeinsam könnten die anstehenden Aufgaben erfolgreich gemeistert werden, so Böhning. Von der EU erwartet die SPIO, dass gesetzliche Rahmenbedingungen für die Regulierung von Künstlicher Intelligenz geschaffen und die Urheberrechtsgesetzgebung insbesondere in Bezug auf die Lizenzierung im digitalen Raum weiterentwickelt werden.
medienpolitik.net: Herr Böhning, mit welchen medienpolitischen Themen wird sich Ihr Verband 2025 vor allem befassen?
Böhning: Durch die vorgezogene Bundestagswahl stehen zentrale Branchenthemen weiter auf der politischen Agenda. Unsere Bemühungen zielen darauf ab, die Interessen der gesamten Filmwirtschaft in Wahlprogrammen und schließlich im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung zu verankern und alle ausstehenden Bestandteile der großen Filmreform erfolgreich durchzusetzen. Der Zusammenhalt innerhalb der Branche ist dabei wichtiger als je zuvor. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie wichtig der Schulterschluss gegenüber der Politik ist. Die vor uns liegenden Herausforderungen erfordern einen vereinten Einsatz – von der Produktion über den Verleih bis hin zu den Kinos. Nur gemeinsam können wir die anstehenden Aufgaben erfolgreich meistern.
Die SPIO wird sich 2025 vor allem mit den folgenden medienpolitischen Kernthemen befassen:
- Filmförderung und internationale Wettbewerbsfähigkeit: Die SPIO setzt sich für eine nachhaltige und verlässliche Filmförderung ein, einschließlich im neuen Filmförderungsgesetz enthaltenen Weiterentwicklung der Filmförderungsanstalt. Zudem fordern wir weiterhin, dass eine automatisierte und ungedeckelte Anreizförderung eingeführt wird, sowie Investitionen in Film- und Fernsehproduktionen gefördert und den deutschen Film im internationalen Wettbewerb stärkt.
- Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI): Die Auswirkungen der Digitalisierung und Ki auf die Filmwirtschaft sind zentrale Zukunftsthemen der Branche. Essenziell ist dabei, dass die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, um eine faire Verteilung der wirtschaftlichen Vorteile der KI-Revolution zu gewährleisten und die kulturelle sowie ökonomische Bedeutung der Filmwirtschaft zu sichern. Tarifvertraglichen oder brancheneigenen Lösungen sollte dabei der Vorzug gewährt werden.
- Faire Wettbewerbsbedingungen: Die SPIO setzt sich für ein faires Wettbewerbsumfeld sowohl innerhalb der Branche als auch im Verhältnis zu global agierenden Plattformen, wie Streamingdiensten, ein. Dies betrifft auch die Gestaltung von Medienstaatsverträgen. Urheberrecht und Lizenzvergabe: Die Stärkung des Urheberrechts und der Lizenzierungsmöglichkeiten im digitalen Raum stehen weiter auf der Agenda. Insbesondere soll die territoriale Lizenzvergabe im digitalen Raum erhalten bleiben, um die Finanzierung und kulturelle Vielfalt zu sichern.
- Jugendmedienschutz: Die SPIO fordert, dass der Jugendmedienschutz nachvollziehbar und verantwortungsvoll weiterentwickelt wird, wobei die Altersfreigaben für alle Verbreitungswege vereinheitlicht und verlässliche Orientierung für Eltern und Nutzer geboten werden soll. Der Verantwortung der Eltern für den Kinobesuch muss ein stärkeres Gewicht verleihen und die bereits bestehenden Parental-Guidance-Regelung bei FSK 12-Filmen auf die Alterskennzeichen FSK 6 und FSK 16 ausgeweitet werden.
medienpolitik.net: Die EU hat eine neue Kommission gewählt. Welche Themen, die für Ihren Verband relevant sind, sollten auf der Agenda der EU-Kommission in der nächsten Legislaturperiode stehen?
Böhning: Das Thema internationale Wettbewerbsfähigkeit ist für uns von überragender Bedeutung. Daher sind wir sehr dankbar, dass Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen dieses Ziel in ihren Leitlinien hervorgehoben hat. Künstlerisch spielt der deutsche Film auf Weltniveau – wirtschaftlich müssen wir da erst wieder hinkommen. Da ist die EU entscheidend und da die Digitalisierung aller Wertschöpfungsstufen der Filmindustrie weiter voranschreitet, wird vermutlich der ohnehin große Einfluss der EU-Gesetzgebung auf die nationale Filmwirtschaft auch in dieser Legislatur wachsen. Unsere Anliegen lauten daher:
- Regulierung von Künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen: Die EU sollte gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, damit die wirtschaftlichen Vorteile von KI gerecht verteilt werden, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz von KI in der Filmproduktion und -verbreitung. Mit dem AI-Act wurden erste Grundlagen geschaffen, jedoch gibt es hier die Notwendigkeit, insbesondere das Urheberrecht und das Recht der Bewegtbildproduzenten zu stärken.
- Urheberrecht und Digitalisierung: Die EU sollte die Urheberrechtsgesetzgebung weiterentwickeln, insbesondere in Bezug auf die Lizenzierung im digitalen Raum. Es ist entscheidend, dass Rechteinhaber wirksam geschützt werden und transparent über die Nutzung ihrer Werke informiert werden. Rechteinhaber müssen in der Lage sein, gegen Rechtsverletzungen effektiv vorgehen zu können. Hierzu müssen Verfahren beschleunigt und die Beteiligung der Infrastruktur- und Zugangsanbieter effizienter ausgestaltet werden.
- Faire Wettbewerbsbedingungen auf digitalen Plattformen: Die EU sollte den Wettbewerb auf digitalen Plattformen stärken und sicherstellen, dass die Rechte und Interessen europäischer Filmproduktionen gegenüber global agierenden Plattformen gewahrt bleiben. Dies betrifft auch die Regulierung der Plattformen in Bezug auf deren Rolle bei der Filmverbreitung und -finanzierung.
- Schutz der kulturellen Vielfalt: Die EU sollte Maßnahmen zum Schutz der kulturellen Vielfalt in Europa ergreifen, insbesondere durch die Beibehaltung territorialer Lizenzvergaben und des Geoblockings. Diese stellen sicher, dass europäische Filme auch in digitalen und internationalen Märkten finanziell realisiert und produzieren können. Sollte die Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMD) geöffnet werden, wäre dies eine Chance, deutlichere Vorgaben einzubauen, wie der Anteil europäischer Werke im TV und bei Video-On-Demand-Diensten eingehalten werden kann.
- Digital Network Act (DNA): Es bleibt zu beobachten, ob durch den Digital Network Act (DNA) auf verstecktem Wege Netzwerkentgelte eingeführt werden sollen. Die sogenannten „Network Fees“ oder auch „Datenmaut“ hätten für die Filmwirtschaft erhebliche negative Auswirkungen. Bei schwindenden Budgets für filmische Werke wäre dies ein zusätzlicher Bremsklotz für die audiovisuelle Branche in Europa.
- Besonderheiten der Wertschöpfungskette Filmwirtschaft: Grundsätzlich stellen wir uns mit einer neuen Legislatur und damit verbunden neuen Playern erneut der Herausforderung, die Besonderheiten der Filmwirtschaft zu erläutern und nachvollziehbar für alle Entscheiderinnen und Entscheider zu machen. Alle Besonderheiten der Wertschöpfungskette und die relevanten Themen unserer Branche müssen sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene neu vermittelt werden