Geht die Beitragsstrategie der Intendanten auf?

20. November 2023
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Helmut Hartung promedia Verlag Chefredakteur
Entwurf der Beitragsempfehlung der KEF sieht einen Anstieg um 58 Cent vor. Lässt sich eine Erhöhung noch verhindern?

Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net

Geht es nach der Beitragskommission KEF wird der Rundfunkbeitrag ab 1. Januar 2025 um 58 Cent auf 18,94 steigen. Die Experten des unabhängigen Beitragsempfehlungsgremiums haben sicher mit spitzem Bleistift gerechnet, um einen Anstieg auf über 19 Euro zu verhindern. Dennoch kann es eine Steigerung geben. Geht damit die Strategie der Intendanten auf, durch ihre Verweigerungshaltung, konkrete Zahlen zu nennen, eine Erhöhung zu erreichen? Laufen die Reformkonzepte der Länder und deren Mahnungen an die Sender ins Leere? Es sieht danach aus. Denn die KEF kann nur die Fakten berücksichtigen und keine Hoffnungen. Da ist zum einen die Bedarfsanmeldung von ARD, ZDF und Deutschlandradio, dazu kommen medienspezifische Teuerungen sowie der BIP-Index, der alle im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen berücksichtigt. Diese Zahl liegt bei zwei bis vier Prozent Steigerung. Davon zieht die KEF die möglichen Rationalisierungseffekte und Einsparungen bei Personalkosten ab und berechnet die Kostensteigerung über einen Zeitraum von vier Jahren. Auch die Rücklagen sowie eine Sonderauswertung der Immobilien, die die Kommission vornahm, wirkten sich aus. Alles in allem bleibt so eine Erhöhung von 58 Cent, um den Bedarf für die Auftragserfüllung abzusichern. Das ist laut Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der KEF.

Die KEF will am 13. Dezember ihren Berichtsentwurf den Intendanten und Ländern vorstellen und erläutern. In einem Interview mit der FAZ sagte Prof. Dr. Martin Detzel, Vorsitzender der KEF am 19. Mai 2023, dass die Anstalten und Länder die Beitragsempfehlung vor der Veröffentlichung nicht verändern könnten. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, vor der Bekanntgabe unserer Empfehlung beide Seiten anzuhören. Und auch während der Bedarfsermittlung finden Rücksprachen mit den Sendern statt, fordern wir zusätzliche Daten an. Das sind keine Deals, sondern diese Gespräche und auch die Anhörung dienen der Klärung einzelner Sachverhalte. In der Vergangenheit hat das zu keinen Veränderungen unserer Empfehlung geführt. Ein Beispiel ist die aktuelle Inflation. Hier müssen wir uns überlegen, ob die bisherigen Instrumente noch wirksam sind, um diese Entwicklung real widerzuspiegeln oder ob wir neue Modelle benötigen. Von heute an gerechnet, müssen wir eine volkswirtschaftliche Entwicklung von fast sechs Jahren berücksichtigen, um eine Empfehlung abzugeben, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach einer bedarfsgerechten Finanzierung entspricht“, sagte Detzel. Zugleich erläuterte er, dass die Berücksichtigung der Rücklagen, die sich aus der Erhöhung des Beitrages ergeben, etwa 50 Cent ausmachen. Also ohne diese Mittel, die die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger gerne verbraten hätte, würde die Beitragserhöhung bei über einem Euro liegen.

Dennoch geben die Länder, wie man aus den Staatskanzleien hört und wie es auch ein aktuelles Interview des Brandenburger Medienstaatssekretär Grimm mit der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigt, die Hoffnung nicht auf, eine Beitragserhöhung noch zu verhindern. So wird von Mitgliedern der Rundfunkkommission gerne darauf verwiesen, dass intensiv an einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet werde, die auch eine veränderte Festsetzung des Beitrages erhalten soll. Die novellierten gesetzlichen Rahmenbedingungen sollen zu mehr Effizienz und einem wirtschaftlicheren Umgang mit den Beitragsgeldern führen, also durch Einsparungen den Beitrag stabil halten. Doch mit dem Entwurf des entsprechenden Medienänderungsstaatsvertrages wird frühestens im März gerechnet, wahrscheinlicher ist der Juni 2024. Im Januar sollen in einer weiteren Klausurtagung die Vorstellungen der Rundfunkkommission mit den Ideen des Zukunftsrates „zusammengeführt“ werden. Ob die Überlegungen des Zukunftsrates, die auch erst Mitte Januar vorliegen, zu messbaren und abrechenbaren Einsparungen führen werden und ab wann sie greifen könnten, ist zudem unklar.  

„Die Länder geben, wie man aus den Staatskanzleien hört, die Hoffnung nicht auf, eine Beitragserhöhung noch zu verhindern.“

Dann rechnen die Länder weiterhin, auch bis spätestens Anfang nächsten Jahres, noch auf Reformideen der Anstalten mit einem „Preisschild“. Zwar haben die ARD-Intendanten in diesem Jahr einige Veränderungen auf den Weg gebracht, die durch engere Kooperation und die Bündelung von Kompetenzen zu einer Kostensenkung führen könnten, sie haben aber jegliche konkrete Berechnung tunlichst vermieden. Vom ZDF kam nichts.

Am 16. November hat Rudi Hoogvliet (B90 Grüne), Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund, in weiser Voraussicht erklärt, dass er es für eine Illusion halte, dass konkrete Einsparziele der Sender bei der Ermittlung des Beitrages ab 2025 durch die KEF noch berücksichtigt werden könnten. „Die Forderung nach ‚Preisschildern‘ kommt zu früh. Die Reformen, die sowohl die Länder als auch die Anstalten jetzt auf den Weg bringen, benötigen einige Jahre Zeit, bis sie wirken können. Erst 2030, also zur übernächsten Beitragsperiode, werden die Erfolge sichtbar und messbar sein, aber nicht innerhalb von zwölf Monaten. Zudem haben die Anstalten erhebliche Kostensteigerungen zu verkraften. Auch für die digitale Transformation sind Investitionen erforderlich. Deshalb betrachte ich, ohne mich in die Angelegenheiten der KEF einmischen zu wollen, eine geringe Beitragserhöhung auf dem Niveau eines Inflationsausgleichs als Mindestanforderung. Wenn einige Ministerpräsidenten gegenwärtig eine Beitragsstabilität und damit keine Erhöhung fordern, geht das nach meiner Meinung an der Realität vorbei“, sagt Hoogvliet.

Bei den Gesprächen der Länder mit der KEF wird sicher auch der politische Kalender für das nächste Jahr eine Rolle spielen. Die Landtagswahlen im Herbst in drei Bundesländern könnten dazu führen, dass sich diese drei Landtage bis Ende des Jahres nicht mit dem entsprechenden Medienänderungsstaatsvertrag befassen. Damit wäre auch eine Verschiebung der Beitragserhöhung um einige Monate möglich, erst recht, wenn die KEF ihre Empfehlung noch nicht im Februar – wie in den bisherigen Beitragsperioden – abgibt. Wie auch immer, bleibt die Vorfestlegung von sechs Ministerpräsidenten, eine Beitragserhöhung abzulehnen, ein Fakt, der eine wichtige Rolle spielen kann. Das sieht auch Rudi Hoogvliet so: „Diese Vorfestlegung einiger Regierungschefs ist ein politisches Problem. Ich halte das für falsch, da wir weiterhin Vertrauen in die Entscheidung der KEF haben sollten, die eine sehr verantwortungsvolle Arbeit leistet. Um einen solchen medienpolitischen Worst-Case zu verhindern, wenn abzusehen ist, dass mehrere Landesparlamente eine Beitragserhöhung ablehnen würden, müssen im Vorfeld Gespräche zwischen der KEF, den Ländern und den Anstalten geführt werden, um Grenzen und Möglichkeiten der Verständigung zu eruieren. Wenn wir uns hier nicht politisch verständigen, fahren wir die Medienpolitik um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen die Wand.“

Die vorgesehene Erhöhung von 58 Cent beträgt ca. 3 Prozent des bisherigen Beitrages. ARD, ZDF und Deutschlandradio erzielten 2022 laut Aussagen des Beitragsservices, Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag von 8,5 Mrd. Euro. Auf eine Beitragsperiode horchgerechnet sind das 34 Mrd. Euro. Die 3 Prozent Steigerung entsprechen damit etwa 1,1 Mrd. Euro an Mehreinnahmen von 2025 bis 2028. Um eine Erhöhung ab 2025 zu verhindern, müssten in den nächsten Wochen noch Fakten geschaffen werden, um Einsparungen innerhalb von vier Jahren in dieser Größenordnung zu garantieren. Nur das könnte die KEF zu einem Moratorium veranlassen, im nächsten Jahr noch keine Empfehlung abzugeben. Doch ist das realistisch?

 

 

 

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