Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) informiert in ihrem 25. Jahresbericht über medienkonzentrationsrechtliche Prüfverfahren und inhaltliche Schwerpunkte ihrer Arbeit. Ein zentrales Thema war die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Medien- und Meinungsvielfalt. Erste gesetzliche Regelungen, die die KI betreffen, sind ergangen. Auch im Hinblick auf die Medienregulierung stellen sich Fragen nach den Gefährdungslagen und dem erforderlichen gesetzlichen Aufsichtsrahmen für Künstliche Intelligenz. Die KEK hat sich damit befasst, wie die Entwicklungen unter Vielfaltsgesichtspunkten zu bewerten sind und wie diese in den regulatorischen Rahmen integriert werden können.
Aus dem 25. Jahresbericht der KEK:
Künstliche Intelligenz (KI) wird im Medienbereich im Rahmen von ganz unterschiedlichen Anwendungen und in einer großen Bandbreite von Bereichen eingesetzt. So befindet sich KI beispielsweise bei Suchmaschinen, Empfehlungssystemen, generativen Anwendungen oder zur Unterstützung der Inhalte-Produktion im Einsatz. KI steht dabei oft im Zusammenhang mit Effizienzsteigerungen sowie einer höheren Personalisierung von Diensten. Dadurch kann KI grundsätzlich den Zugang zu Informationen und Inhalten weiten, den Inhaltekonsum für eine breitere Zielgruppe öffnen (Inklusion, mediale Teilhabe), Kosten für Produzenten und Konsumenten senken und somit letztlich mehrschichtig positive Effekte auf die mediale Vielfalt haben. Daneben bergen die durch KI eröffneten Anwendungsmöglichkeiten gleichzeitig die Gefahr des missbräuchlichen manipulativen Einsatzes. So können Inhalte vergleichsweise einfach selektiert, manipuliert oder auch zielgerichtet generiert werden, um die Meinungsbildung zu beeinflussen. Die individuellen Anpassungsmöglichkeiten an den jeweiligen Nutzer im Hinblick auf Ansprache, Interessen und Nutzungsgewohnheiten bergen dabei ein zusätzlich erhöhtes Beeinflussungspotenzial. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die KEK aus verschiedenen Blickwinkeln das Thema KI, um aus Gründen der gebotenen Vielfaltssicherung aktuelle und künftige Gefährdungen im Zusammenhang mit KI besser einschätzen zu können.
Nutzungszeit kumuliert bei wenigen Plattformanbietern
Die KEK hat sich zum Thema KI unter anderem mit dem Medienwissenschaftler Dr. Martin Andree im Rahmen eines Fachgespräches ausgetauscht. Dr. Andree hat mit eigenen Messungen den Datenverkehr („Traffic“) im deutschen Internet untersucht (siehe „Atlas der digitalen Welt“). Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Internet heute von nur wenigen US-amerikanischen Plattformen beherrscht wird, namentlich Google, Facebook, Instagram und Amazon. Das Grundproblem liege dabei in der bisher üblichen Berücksichtigung der Nutzungskennzahlen. Wichtig sei, nicht allein auf die Reichweitenzahlen zu schauen, sondern auf die Nutzungsdauer. Unter Zugrundelegung der reinen Nutzungszeit von Angeboten zeige sich die tatsächlich bestehende Macht der wenigen digitalen Monopolisten auf: Der Gini-Koeffizient, bei welchem der Wert 0 für eine vollkommene Gleichverteilung und 1 für vollkommene Ungleichverteilung steht, ergebe für die Angebotsnutzung im Onlinebereich einen Wert von 0,988. Dies belege, dass außerhalb der großen digitalen Plattformen fast kein weiterer Traffic stattfinde. Wenige US-amerikanische Plattformen dominierten dabei nicht nur die für die Meinungsbildung relevanten Bereiche, sondern auch den Online-Werbemarkt. Für die sehr große Zahl an sonstigen Online-Angeboten sei dagegen kaum noch Nutzung messbar. Bildlich bestehe abseits der großen Plattformen ein gigantischer „Friedhof“.
Vielfalt nach den Spielregeln der Plattformen
Die über die großen Plattformen verbreiteten Inhalte und Angebote stammen in der Regel nicht von den Betreibern dieser Plattformen, sondern von Dritten (siehe YouTube, Facebook, Instagram, Amazon etc.). Insofern kann gegenwärtig jedenfalls eine inhaltliche Vielfalt auf diesen Plattformen verzeichnet werden. Zutreffend ist aber auch, dass Inhalte im Wesentlichen aufgrund der Bereitstellung auf diesen Plattformen eine relevante Reichweite und Nutzung erfahren können. Die Nutzungsbedingungen werden dabei von den jeweiligen Plattformbetreibern vorgegeben. Aufgrund ihrer Relevanz in den jeweiligen Bereichen können diese sowohl von Anbietern als auch von Nutzerseite praktisch nicht mehr ignoriert werden. Gleichzeitig haben die Plattformbetreiber ein Interesse daran, Nutzer möglichst lange in ihrem Plattformumfeld zu halten, und haben ihre Unternehmensarchitektur auf eine Selbstbevorteilung hin ausgerichtet. Hierfür gibt es gleich mehrere Gründe: Hohe Nutzungszahlen spiegeln die Attraktivität der Plattform wider. Je mehr Nutzer desto größer sind die Werbe- bzw. Umsatzerlöse. Parallel steigen auch die durch Interaktionen gewonnenen Nutzungsdaten und Netzwerkeffekte verstärken sich immer weiter. Dr. Andree spricht bildlich davon, dass Traffic aus dem freien Netz heraus in Plattform-Silos „gesaugt“ wird.
Wirtschaftsfaktor Aufmerksamkeit
Werbetreibende Unternehmen platzieren ihre Werbegelder in der Regel dort, wo sie die größte Aufmerksamkeit des Publikums erwarten. In den letzten Jahren sind kontinuierlich mehr und mehr Werbegelder in den Onlinebereich abgewandert. Nach Andree sind die digitalen Medien längst zu den gesellschaftlichen Leitmedien geworden. Er bezieht sich auf Prognosen, nach denen der Werbemarktanteil der analogen Medien bis zum Jahr 2029 unter 25 Prozent sinken werde. Damit werde die politische Meinungsbildung bereits in wenigen Jahren ganz wesentlich über wenige US-amerikanische Plattformen erfolgen und deren Kontrolle und Vorgaben unterliegen.
KI als Konzentrationsbeschleuniger?
Die zukünftige Bedeutung, die KI-Anwendungen gegenwärtig beigemessen wird, kann kaum zu hoch eingeschätzt werden. Ein für KI-Anwendungen wesentlicher Faktor ist dabei der Zugriff auf große Datenmengen, um die KI-Logik damit zu trainieren und zu optimieren. Datensätze fallen umso umfangreicher an, je stärker ein Angebot genutzt wird. Dr. Andree verweist darauf, dass den großen Plattformunternehmen derzeit auch die größten Nutzer-Datensätze zur Verfügung stünden, weshalb KI insofern als Konzentrationsbeschleuniger wirke. Alle Entwicklungen in diesen Bereichen seien mehr oder weniger nur in Kooperation bzw. durch die großen Plattformanbieter denkbar. Zusammenfassend seien die Folgen dieser Entwicklung, dass Tech-Monopole die digitale Wirtschaft kontrollierten, redaktionelle Medien die Finanzierungsgrundlage verlören und US-Plattformen in absehbarer Zukunft die politische Öffentlichkeit kontrollieren würden. Die Grundlage unserer Demokratie sei daher gefährdet, weshalb ein dringender Handlungsbedarf bestehe.
https://www.kek-online.de/fileadmin/user_upload/KEK/Publikationen/Jahresberichte/25._Jahresbericht.pdf