
Vom 1. bis zum 3. Dezember kamen die Kommunalen Kinos und die kulturellen Filminitiativen in Deutschland zum 18. Bundeskongress in Oldenburg zusammen. Unter dem Titel „And Action! Kino der Intervention“ diskutierten rund 80 Kinomacher von kommunal geführten Kinos, Filmmuseen, Festivals, ehrenamtlichen Initiativen und Unikinos aus ganz Deutschland die Kernthemen Programmarbeit, Diversität und Publikumsnachwuchs und erarbeiteten Lösungen für zukünftige Herausforderungen der Branche. Grundgedanke des Kongresses war, trotz multipler Krisen optimistische Gespräche zu führen und gestärkt aus der Veranstaltung herauszugehen. Die kulturelle Filmszene möchte damit gerade in Zeiten der Krise ihrem Selbstverständnis gerecht werden, demokratiestärkende Prozesse anzustoßen sowie Möglichkeiten der Vergesellschaftung anzubieten.
Kommunale Kinos als prototypische ‚Dritte Orte‘
Bereits zum Auftakt des Kongresses wurde in der Keynote deutlich, dass die filmkulturellen Spielstätten prototypische ‚Dritte Orte‘ sind: Filmgespräche, kooperative Programmgestaltung, niedrigschwellige Partizipationsmöglichkeiten und nicht zuletzt Möglichkeiten der Zusammenkunft in den Foyers und angeschlossenen Gastronomiebetrieben lassen die Kommunalen Kinos auch über die Stammkundschaft hinaus zu einem „home away from home“ und zu Orten der Vergesellschaftung werden, die weit über die gemeinsame Filmrezeption hinausgeht. Die Kernthemen Diversität vor und auf der Leinwand wurden in lebhaft geführten Workshopformaten ebenso bearbeitet wie die partizipative Programmgestaltung und die Filmvermittlung bei Kindern und jungen Menschen. Damit blickten die Kinos nach vorne und tauschten Expertise aus, um sich verändernden gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Auch hier wurde deutlich: Nach wie vor verstehen sich die KoKis als wichtiger Teil der Gesellschaft, zu deren Zusammenhalt sie mehr denn je beitragen wollen. Dass die Veranstaltung mit einer Debatte endete, die unter dem Titel „Netzwerke, Koalitionen, Allianzen“ beispielhaft eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Förderern, kommunalen Entscheidungsträgern und engagierten Kinomachern aus Göttingen vorstellte, verdeutlichte den Gemeinschaftssinn und die Notwendigkeit gebündelter Kräfte - vor allem mit jenen der öffentlichen Hand. Sarah Adam, 1. Vorsitzende des BkF: "Wir freuen uns sehr, dass so viele filmkulturelle Initiativen nach Oldenburg gekommen sind, um gemeinsam in den Austausch zu treten. Das zeigt uns, dass wir die richtigen Themen zur richtigen Zeit aufgegriffen haben. Außerdem haben die Kinos damit bewiesen, dass ihre Motivation, als 'Dritte Orte' einen soziokulturellen Auftrag zu übernehmen, nach wie vor ungebrochen ist. Gerade in krisenhaften Zeichen ist das ein starkes Signal an Politik und Gesellschaft!"
Kino als sozialer Ort und Ort der Intervention
In seiner Keynote betonte Matthias Rauch, Head of Cultural Innovation & Creative Economy beim Startup-Ökoystem für urbane Innovation NEXT Mannheim, die Bedeutung 'Dritter Orte' für sich transformierende (Innen)Städte. Dabei wurde deutlich, dass Kommunale Kinos aufgrund des hohen Grades an Partizipation der Bevölkerung in Raum- und Programmgestaltung paradigmatische 'Dritte Orte' sind, die in zukünftigen Transformationen urbaner Räume mehr gefragt sind denn je. Die anschließende Diskussion zeigte, dass und wie die KoKis aufgrund ihres Selbstverständnisses bereit sind, diese Rolle zu übernehmen und ihre breite Expertise einzubringen, dass es dabei aber unbedingt die Bereitschaft der Kommunen braucht.
Alternative Finanzierungsformen
In einem Best Practice Pitch stellten vier Mitgliedskinos innovative Ideen zu alternativen Finanzierungsformen vor. Der Programmpunkt stand unter dem Slogan "Von der Branche, für die Branche", alle Beispiele haben den Praxistest schon bestanden. Im anschließenden lebhaft geführten Austausch im Plenum wurden Expertise und Feedback ausgetauscht: Justin Klimek und Philip Kaufmann vom Unikino Gegenlicht präsentierten, wie das studentische Kino mittels Fördermitgliedschaften die Finanzierung eines Digitalprojektors bewerkstelligen möchte. Marion Fittje stellte beeindruckende Zahlen aus der Fördermitgliedschaftskampagne des cine k vor. Die generierten Mittel reichen, um Finanzlücken im Haushalt zu schließen! Gerhard Wissner vom Kasseler BaLi-Kino präsentierte den 'Goldenen Kinoausweis', der Kinos Liquidität ermöglich und gleichzeitig Zuschauer*innen ans Kino bindet. Johannes Thomsen vom KoKi Hannover zeigte Möglichkeiten zur KI-gestützten (und rechtssicheren!) Gestaltung von Filmplakaten auf. Beeindruckende Artworks, die auch vom Publikum nachgefragt werden.
Kulturelle Filmarbeit als Haltung
In einem Worldcafé wurde die kulturelle Filmarbeit, wie sie die Kommunalen Kinos 2005 definiert haben, unter aktuellen Gesichtspunkten debattiert. Im Kreativlabor Oldenburg wurde an verschiedenen Tischen „Partizipative Kuratierung“, „Bildungsanspruch meets ‚Freude am gemeinsamen Sehen‘“, „Der Dritte Ort ‚Kino‘ als Alternative zum Streaming“ und „Aus- und Weiterbildung“ besprochen. Dabei zeigte sich vor allem, dass und wie Partizipation in der Programmarbeit das Kinoprogramm durchlässiger und variantenreicher macht und dass das Streaming vor allem als Alternative zum eigentlichen Kinobesuch erachtet werden sollte. Dass sich das Anliegen der Kinos, Filmbildung anzubieten, und die Freude am Kino und Filmeschauen keineswegs ausschließen wurde im Austausch unterschiedlicher Konzepte betont.
Filmvermittlung bei Kindern und jungen Menschen
Filmvermittlung bei Kindern und jungen Menschen war das Thema der Paneldiskussion am Samstagnachmittag. Im Anschluss an das erfolgreiche Projekt Junges Kino wurden auf den Projekterfahrungen aufbauend Konzepte und Anforderungen rund um eine kulturelle Filmvermittlung debattiert. Es diskutierten Philip Kaufmann (Unikino Gegenlicht), Marc Teuscher (Filmvermittlung, Hauptverband Cinephilie) und Ela Rehbach (Filmvermittlerin, Medienbüro Oldenburg e.V.). Moderation: Laura Sommer (Projekt Junges Kino, pupille, Kino an der Uni Frankfurt/Main)
Diversität auf und vor der Leinwand: Diverse Filme für ein diverses Publikum
Der Themenkomplex wurde von Neriman Bayram (Kommunales Kino Freiburg) eingeleitet, die in einem Impuls theoretische Konzepte und praktische Inhalte des Diversitätsbegriffs in der Kinoarbeit beleuchtete. An Tischen eines Worldcafés wurde dann konkret die Teilhabe von migrantischen Initiativen, die Programmierung ‚diverser‘ Programme, Kommunikationskonzepte ‚Diverse Filme für ein diverses Publikum‘ sowie Diversitätsaspekte als Teil des Selbstverständnisses kultureller Filmarbeit erörtert.
Gemeinsam ans Ziel. Fallstudie Lumiére Göttingen
Zum Abschluss der Veranstaltung debattierten Inken Kautter (Kulturamt Göttingen), Holger Tepe, (Aufsichtsrat nordmedia; Kinobüro Niedersachsen / Bremen e.V.) und Olaf Martin (Landschaftsverband Südniedersachsen e.V.) gemeinsam mit Telke Reeck (Geschäftsführerin Kinos Lumière und Méliès Göttingen) gemeinsam das Erfolgsmodell Kino Lumiére. Beleuchtet wurde die Rettung des Kinos, die von der Stadt und den Fördermittelgebern finanziell unterstützt wurde, und auf das Engagement des Kinoteams zurückging. Deutlich wurde dabei, wie fruchtbar diese Kooperation für alle Beteiligten war, die voneinander lernen und den schwierigen Weg gemeinsam ans Ziel gehen konnten. Moderiert und konzeptioniert wurde das Gespräch von der wissenschaftlichen Kinoberaterin Morticia Zschiesche (Heidelberg).