Wo bleibt die Rechtsstaatlichkeit in der Gebührendiskussion?

27. November 2023
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal, Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal, Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk
Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk kritisiert Ablehnung einer möglichen Beitragserhöhung durch Ministerpräsidenten

Von Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal, Vorsitzende des Initiativkreises öffentlich-rechtlicher Rundfunk 

Nachdem kürzlich inoffiziell bekannt wurde, dass die KEF vermutlich eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 58 Cent vorschlagen könnte, konterten viele Ministerpräsidenten umgehend, dass für sie nur „Beitragsstabilität“ in Frage käme. Schon bevor die KEF überhaupt an Ihre Arbeit ging, verkündeten mehrere Ministerpräsidenten, man wolle auf keinen Fall eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zulassen. Das kann man auch als den Versuch der Einflussnahme auf eine verfassungsgemäß unabhängige Einrichtung interpretieren. Schon vor dem KEF-Vorschlag eine Beitragsanhebung auszuschließen war offensichtlich verfassungswidrig

Mit großer Besorgnis und tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Initiativkreis öffentlich-rechtlichen Rundfunk (IÖR) Stellungnahmen aus dem Kreis der Regierungschefs und Fraktionsvorsitzenden zur Kenntnis genommen, nach denen jede Erhöhung des Rundfunkbeitrags abgelehnt werde. Das widerspricht dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit welcher Leichtigkeit über gesetzliche Vorgaben hinweggegangen und populistisch argumentiert wird, ist verwunderlich in Zeiten, in denen die Demokratie gestützt werden müsste. Der Glaube an demokratische Rechtsstaatlichkeit wird damit von den Ministerpräsidenten unterminiert.

Zur Erinnerung: Das Verfahren zur Feststellung des Beitrags ist vor Kurzem erst vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden, nachdem das Land Sachsen-Anhalt dem Staatsvertrag zur Beitragserhöhung nicht zugestimmt hatte. Das Verfassungsgericht erinnerte daran, dass die Landesparlamente ARD und ZDF einen Programm-Auftrag erteilt haben, dessen Erfüllung materiell abgesichert sein muss. Die Notwendigkeit und Höhe der Finanzausstattung prüft die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF). Die Länder dürfen nach der Verfassung vom Votum der KEF nur in begründeten Ausnahmen abweichen. Diese Begründung muss zudem von allen Ländern einvernehmlich getragen werden. Es reicht nicht, wenn nur ein Teil der Länder eine Abweichung vom KEF-Vorschlag vornehmen will. Damit soll eine politische Einflussnahme auf das Programm über die Finanzierung verhindert werden. Eine generelle Ablehnung - wie im Vorfeld der KEF-Prüfung geäußert - ist insofern mit der Verfassungsrechtsprechung nicht zu vereinbaren.

„Der Glaube an demokratische Rechtsstaatlichkeit wird von den Ministerpräsidenten unterminiert.“

Wir verkennen nicht, dass die Höhe des Rundfunkbeitrags politisch und gesellschaftlich nach den Diskussionen um den rbb oder die Intendantengehälter umstritten ist. Wir weisen aber darauf hin, dass dem öffentlich-rechtliche Rundfunk eine grundsätzliche und wesentliche Funktion zur Stabilisierung der Demokratie zukommt. Es ist unübersehbar, dass sich überall dort, wo freie Medien, private wie öffentliche, eingeschränkt oder beschränkt sind, autoritäre, antidemokratische Tendenzen verstärken. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat gerade deshalb in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich eine Sonderstellung. Dessen Schwächung ist ein falsches Signal. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat für die Basis demokratischer Diskurse wichtige Funktionen wie nie zuvor: Fakes und abstruse Erzählungen herauszufiltern, „Sagen, was ist“, mit kulturellen Angeboten zum gesellschaftlichen Zusammenhang beizutragen, Vielfalt zu zeigen und eine stilvolle demokratische Streitkultur zu ermöglichen. Starke private Medien und ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind systemrelevante Säulen unserer Demokratie.

Sachsens CDU fordert „Reform vor Beitragsdiskussion“. Demnächst wird der von den Ministerpräsidenten einberufene Zukunftsrat seine Vorschläge vorlegen. Dann muss über den Auftrag diskutiert werden auf breiter auch zivilgesellschaftlicher Basis. Die Vermischung der Reformdebatte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit den Gebührenentscheidungen ist nicht zielführend und verfassungswidrig

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