Von Helmut Hartung, Chefredakteur medienpolitik.net
Laut einem Gutachten, dass alle neun ARD-Anstalten sowie die Deutsche Welle beim Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR in Auftrag geben haben, hat die ARD im Jahr 2022 rund 8 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung in Deutschland beigetragen. Laut Studie beschäftigt die ARD-Aufträge in der deutschen Wirtschaft mehr als 55.000 Arbeitsplätze außerhalb der eigenen Unternehmen. Wie in der Expertise ausgeführt wird, ist die Arbeitsgemeinschaft ein wichtiger Partner für die deutsche Kultur- Kreativwirtschaft und trug mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten 2,4 Mrd. Euro zur indirekten Wertschöpfung in diesem Bereich bei. Auch die 24 Klangkörper, die sich die Anstalten leisten, haben einen anerkannten Platz in der Kulturlandschaft. In ihnen werden nach Angaben der Musikverbände an die 2.000 Musiker beschäftigt. Doch weder die Bruttowertschöpfung noch die Finanzierung von Orchestern, Bands und Chören gehören zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Der Beitrag der ARD zur Bruttowertschöpfung mit 8 Mrd. Euro ist beachtlich, doch diese Zahl sagt weder etwas über die notwendige Höhe des Beitrages noch über seine Effektivität und wirtschaftliche Verwendung aus. Natürlich möchte niemand in der Kulturwirtschaft auf die Aufträge aus den Anstalten verzichten. Dieser programmliche und technische Bedarf ist beispielsweise für die deutsche Filmwirtschaft eine wichtige Einnahmequelle. Für einige Unternehmen sogar die wichtigste. Und doch spielt diese Summe bei der Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt, deren Bruttowertschöpfung in Deutschland 2019 rund 106,4 Mrd. Euro betrug, eine untergeordnete Rolle. 2019 erreichte die Bruttowertschöpfung der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland rund 72,54 Milliarden Euro. Im Finanzwesen lag sie 2019 bei 124,8 Milliarden Euro und im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft 2021 bei knapp 391,8 Milliarden Euro.
„Die ARD investiere sehr effektiv. Mit einem Euro, den die ARD direkt zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, generiert sie eine gesamte Wertschöpfung von insgesamt 2,88 Euro in der deutschen Wirtschaft“, so heißt es in der Meldung der SWR-Pressestelle. Doch im Unterschied zur Finanzwirtschaft oder zur chemischen Industrie ist es nicht die Aufgabe von ARD, ZDF und Deutschlandradio, den Rundfunkbeitrag „effektiv zu investieren“ und eine hohe Bruttowertschöpfung zu erreichen. „Die Finanzausstattung“, so legt es der Medienstaatsvertrag eindeutig fest, „hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Lage zu versetzen, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen; sie hat insbesondere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten.“ Laut Medienstaatsvertrag besteht dieser Auftrag darin, „durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“
„Wenn sich der Auftrag verändert, so dass der zu seiner Realisierung notwendige Finanzbedarf sinkt, wird auch die Bruttowertschöpfung geringer ausfallen.“
Es ist weder bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, noch im Medienstaatsvertrag davon die Rede, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Kulturwirtschaft stärken muss. Selbstverständlich sind die ARD-Anstalten auch Wirtschaftsunternehmen, aber nicht mit dem Ziel Gewinn zu maximieren, sondern sie müssen das Geld, dass ihnen zur Finanzierung dient, den Rundfunkbeitrag, ausschließlich zur Erfüllung des Auftrages einsetzen. Wenn sich der Auftrag verändert, so dass der zu seiner Realisierung notwendige Finanzbedarf sinkt, wird auch die Bruttowertschöpfung geringer ausfallen. Zwar dringt die KEF darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Sender neben dem Rundfunkbeitrag weitere Einnahmen generieren. Aber das erfolgt mit dem Ziel, den Beitrag entsprechend zu reduzieren.
Die Studie stellt fest, dass im Jahr 2022 die Einkäufe der ARD in Deutschland indirekt über 36.000 Arbeitsplätze – knapp 8.000 weniger als noch 2015 (44.400) unterstützten. Gründe dafür seien ein veränderter Branchenmix der Vorleistungen als auch die Inflation und Produktivitätssteigerungen. Sodann wird in der Studie behauptest, dass „die ARD und die Kultur- und Kreativbranche im Allgemeinen standardmäßig keinen Inflationsausgleich erhalten“. Wer die KEF-Berichte kennt, weiß, dass diese Aussage nicht stimmt, dass die Entwicklung der Inflation von der KEF berücksichtigt wird. Im 22. Bericht der KEF heißt es: „Im Ergebnis erkennt die Kommission für 2021 bis 2024 einen Aufwand von 38,7 Mrd. Euro an. Gegenüber den Aufwendungen für 2017 bis 2020 ist das ein Anstieg von fast 1,8 Mrd. Euro, das sind 4,8 Prozent oder 1,2 Prozent jährlich. Das ist ein beträchtlicher Zuwachs für die Anstalten, die damit Kostensteigerungen auffangen können. Er bleibt aber gleichzeitig deutlich hinter den Steigerungen zurück, die sich bei der Anwendung allgemeiner Steigerungsraten oder Indizes ergeben hätten.“ „Natürlich“ so der KEF-Bericht, „prüft die Kommission die Aufwendungen der Anstalten für Personal, Programm, Beschaffungen, Investitionen etc. unter dem Gesichtspunkt von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kritisch.“
Angesichts der gegenwärtigen Debatte um eine Beitragsstabilität, kommt der ARD die Aussage des WifOR-Geschäftsführer Prof. Dennis A. Ostwald sicher sehr gelegen, der resümiert: "Die Preise der eingekauften Dienstleistungen der ARD sind seit 2015 durch die Inflation von insgesamt 19 Prozent auch in der Kreativbranche gestiegen. Die Einnahmen aus den Rundfunkbeiträgen sind in dem Zeitraum nahezu gleichgeblieben. Da trotz höherer Ausgaben weniger Dienstleistungen eingekauft werden können und zudem die Produktivität in Deutschland steigt, lässt der positive Trend auf die Beschäftigung außerhalb der ARD immer mehr nach." Der Umkehrschluss könnte lauten: Mit einem höheren Rundfunkbeitrag können mehr Arbeitsplätze außerhalb des Senderverbundes finanziert werden. Doch dazu ist der Rundfunkbeitrag nicht da. Wenn sich der Auftrag ändert, muss das auch Konsequenzen für die Zahl der Beschäftigten in den Sendern und auf die Arbeitsplätze in anderen Branchen haben.
Es ist sicher kein Zufall, dass der ARD-Vorsitzende die Studie gut vier Wochen vor der Information der KEF über deren Berechnungen für die Beitragsperiode 2025-2028 vorlegt. Der Verweise auf die wirtschaftliche Bedeutung der ARD ist weder ein Argument für eine Beitragserhöhung noch ein Beleg für deren sparsames Wirtschaften.