
Die Länder beschlossen in der Sitzung des Bundesrates vom 24. November 2023 einstimmig eine weitere Stellungnahme zum Vorschlag des sogenannten Europäischen Medienfreiheitsgesetzes (European Media Freedom Act). Der Kommissionsvorschlag vom 16. September 2022 wurde intensiv in den Gremien des Rates und auf nationaler Ebene unter Verhandlungsführung der Länder diskutiert. Am 21. Juni 2023 war es den europäischen Mitgliedstaaten gelungen, sich auf eine allgemeine Ausrichtung des Rates zur Aufnahme von Trilogverhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission zu verständigen. Bis Februar 2024 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.
„Freie Medien sind wichtig für die Demokratie in Europa. In Deutschland setzen wir uns für freie, das heißt politisch und wirtschaftlich unabhängige Medien ein. Wir sichern dies durch Selbstregulierung und Staatsferne. Bei den Trilogverhandlungen müssen die teils unterschiedlichen Ansätze und Vorschläge zusammengeführt werden. Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung für Medienvielfalt und -freiheit. Die Länder begleiten die Verhandlungen aktiv“, sagte Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien. Die Gegebenheiten und Rahmenbedingungen weisen in den einzelnen Medienlandschaften der europäischen Mitgliedsstaaten teils große Unterschiede auf. „Der EMFA muss diese Vielfalt und die Gestaltungsspielräume der Mitgliedsstaaten respektieren, um unsere kulturelle Vielfalt in Europa zu bewahren“, betonte Staatssekretärin Heike Raab. Der European Media Freedom Act könne EU-weite Mindeststandards setzen und dort einen Beitrag leisten, wo Rechtsstaatlichkeit hinterfragt werde. „Die Verordnung darf aber nicht dazu führen, dass höhere Schutzniveaus in einzelnen Mitgliedstaaten herabgesetzt werden“, so die Staatssekretärin.
Beschluss des Bundesrates: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt
- Der Bundesrat begrüßt das am 21. Juni 2023 angenommene Verhandlungsmandat des Rates zum Verordnungsvorschlag für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act, im Folgenden: EMFA). In wichtigen Bereichen des Verordnungsvorschlags wurden Verbesserungen im Sinne der Länder erzielt. Das Europäische Parlament hat aus Sicht des Bundesrates in seiner Position zum EMFA vom 3. Oktober 2023 ebenfalls bedeutsame Vorschläge angenommen. Anlässlich des Trilogs weist der Bundesrat unter Einbeziehung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments auf die aus Sicht der Länder wichtigsten Punkte für das weitere Verfahren hin.
- Der Bundesrat bekräftigt nachdrücklich das Anliegen, vielfältige und unabhängige Medien in der EU zu gewährleisten und zu bewahren. Er weist zugleich auf die maßgebende Bedeutung hin, die der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten, das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Artikel 5 EUV) für den EMFA haben.
- Der Bundesrat begrüßt den vom Europäischen Parlament in seiner Stellungnahme an zentraler Stelle betonten Grundsatz, dass der Zweck des EMFA in der Schaffung eines Mindeststandards zum Schutz des Pluralismus und der Unabhängigkeit der Medien für die gesamte EU liegt. Den Mitgliedstaaten muss nach Ansicht des Bundesrates gleichzeitig die Möglichkeit belassen werden, höhere Standards zu erhalten und zum Schutz von Medienfreiheit und zur Förderung von Vielfalt ihre Medienordnung weiterzuentwickeln. In diesem Sinne braucht es einen prinzipienbasierten Ansatz zur Sicherung von Medienfreiheit und Medienvielfalt, der Grundprinzipien für die Medienregulierung der Mitgliedstaaten der EU festschreibt.
- Der Bundesrat betont, dass der EMFA den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten sowie deren verfassungsmäßige Ordnung im Medienbereich anerkennen und achten muss. In Deutschland sind die Länder nach dem Grundgesetz und der höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu verpflichtet, eine positive Ordnung zu schaffen. Dies betrifft die Ausgestaltung der Rundfunk- und Pressefreiheit und insbesondere die zu gewährleistende Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit einer staatsfernen Medienaufsicht.
- Der Bundesrat betont, dass Vorgaben zum Auftrag oder zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks den Mitgliedstaaten entsprechend dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dessen Protokoll Nummer 29 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten (Amsterdamer Protokoll) vorbehalten bleiben müssen. Verfahrensvorschriften sind geeignet, insbesondere auch die Angemessenheit der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien zu sichern und tragen der Unabhängigkeit und Praktikabilität mit Blick auf die unterschiedlichen Systeme und Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung.
- Der Bundesrat bekennt sich uneingeschränkt zu einer wirkungsvollen, unabhängigen und staatsfernen Medienaufsicht sowie einer angemessenen Ausstattung der Medienaufsichtsbehörden in den Mitgliedstaaten. Diese zu schaffen und zu erhalten, liegt indessen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Welche Mittelausstattung angemessen ist, kann nur unter Berücksichtigung der nationalen Gegebenheiten ermittelt werden. Das vorgeschlagene Europäische Gremium für Mediendienste muss seine Aufgaben unabhängig – auch von der Einflussnahme durch die Kommission – wahrnehmen können und hierzu auch über ein unabhängiges Sekretariat verfügen.
- Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Schutz von Medien im Online-Bereich angesichts sich rasant wandelnder Nutzergewohnheiten von besonderer Bedeutung ist. Gerade Qualitätsmedien dienen als Gegengewicht der Bekämpfung von Desinformationen, weshalb sichergestellt werden muss, dass sie die Nutzerinnen und Nutzer erreichen. Der EMFA muss die Rechte der Mediendiensteanbieter gegenüber sehr großen Online-Plattformen stärken und zu mehr Rechtssicherheit beitragen.
- Der Bundesrat fordert, dass bei den Zuständigkeiten für die Prüfung und Bewertung von Zusammenschlüssen auf dem Medienmarkt in besonderer Weise das Subsidiaritätsprinzip beachtet wird. Gerade weil die Expertise bei der Prüfung von rein nationalen, lokalen oder regionalen Sachverhalten und den entsprechenden Gegebenheiten vor Ort in den Mitgliedstaaten zu finden ist. Die Überwachungsmechanismen des EMFA sollten bei Medienkonzentrationen von für den europäischen Binnenmarkt signifikanter Bedeutung greifen.
- Die laufende Überwachung der Einhaltung des EMFA muss effizient und wirkungsvoll ausgestaltet werden. Diesem Ziel dienen zwischen EU und Mitgliedstaaten abgestufte Befugnisse nach den europäischen Verträgen und damit auch eine Fokussierung der Kommission auf systemische Gefahren für die Medienfreiheit in der EU. Insbesondere sind die Grundsätze der Staatsferne, Unabhängigkeit sowie Verhältnismäßigkeit zu beachten.
- Der Bundesrat betont, dass die Fristen für den Anwendungsbeginn der Verordnung so bemessen sein müssen, dass sie eine hinreichende inhaltliche Befassung mit dem EMFA sowie ein ordnungsgemäßes parlamentarisches Verfahren für etwaig notwendige Anpassungen des mitgliedstaatlichen Rechts und die praktische Umsetzung ermöglichen.
- Der Bundesrat erklärt, dass die Länder in Wahrnehmung der Verhandlungsführung auf Ebene der EU die Verhandlungen auch weiterhin konstruktiv und ergebnisorientiert begleiten werden. Insoweit ist die vorliegende Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 5 Satz 2 des Grundgesetzes und § 5 Absatz 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen.
- Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission und das Europäische Parlament.