
Antworten von Dr. Florian Herrmann (CSU), Leiter der Staatskanzlei Bayerns und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien
Nach Einschätzung von Florian Herrmann, Chef der Staatskanzlei und Medienminister Bayerns, leiden die privaten Medienanbieter gerade besonders an dem Einbruch der Werbewirtschaft. Aktuell gerieten viele Unternehmen an den Rand ihrer Existenzfähigkeit. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten benötigten Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit, auch um ihre Kreditwürdigkeit zu stärken. Diese Sicherheit wolle Bayern den Medienunternehmen geben. Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei auch 2024 ein absolutes Kernthema der Demokratie. Die zentralen Reformfelder, auf die sich die Rundfunkkommission der Länder im Januar 2023 festgelegt habe, will Bayern auch 2024 vorantreiben. „Im Sinne der Beitragsstabilität sind tiefgreifende Reformen, die auch „weh tun“ werden, notwendig“, sagt Florian Herrmann.
medienpolitik.net: Wo liegen für Ihre Landesregierung die medienpolitischen Schwerpunkte für 2024?
Herrmann: Wir durchleben turbulente Zeiten. Nicht nur die unbändige Dynamik der technischen Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, auch internationale Krisen, allen voran die Terrorangriffe der Hamas auf Israel und der russische Angriffskrieg in der Ukraine, ihre wirtschaftlichen Auswirkungen und gesellschaftliche Umbrüche stellen alles auf den Prüfstand, was bis jetzt als gut und richtig galt. Was im Moment gerade am meisten fehlt, sind Sicherheit und Vertrauen, um Zukunftspläne auf ein solides Fundament zu stellen. Das gilt für die Medien ganz besonders. Egal ob öffentlich-rechtliche oder private Medien – beide Säulen unseres dualen Systems stehen vor großen Umbrüchen und Herausforderungen. Da ist es wichtig, dass die Politik Grundpfeiler setzt, die eine richtungsweisende Planbarkeit für die Zukunft geben. Dazu gehört zuallererst ein klares Bekenntnis zum Dualen System, denn es hat sich bewährt! Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien ist Ausdruck des freiheitlich-demokratischen Bekenntnisses zum Medienpluralismus und zum freien Meinungsmarkt. Im Interesse unserer Demokratie brauchen wir gleichermaßen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie erfolgreiche private Medienunternehmen. Beides müssen wir zukunftsweisend ausgestalten. Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist für mich auch 2024 ein absolutes Kernthema der Demokratie. Die zentralen Reformfelder, auf die sich die Rundfunkkommission der Länder im Januar 2023 festgelegt hat, wollen wir auch 2024 vorantreiben. Im Sinne der Beitragsstabilität sind tiefgreifende Reformen, die auch „weh tun“ werden, notwendig.
Die privaten Medienanbieter leiden gerade besonders an dem Einbruch der Werbewirtschaft. Die Situation war schon vor Corona und vor der Ukraine-Krise angespannt, weil die Konkurrenz auf den Werbemärkten durch internationale Online-Plattformen immer härter geworden ist. Aktuell geraten viele Unternehmen an den Rand ihrer Existenzfähigkeit. Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten benötigen Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit, auch um ihre Kreditwürdigkeit zu stärken. Diese Sicherheit wollen wir den Medienunternehmen an unserem Standort geben. Denn nur mit wirtschaftlich erfolgreichen und gesunden privaten Medienanbietern können wir die einzigartige Medienvielfalt in Bayern auch weiterhin erhalten und nachhaltig stärken. Deshalb wollen wir auch zusammen mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) die Zuweisungen von UKW-Frequenzen für private Radioanbieter in Bayern bis zum Jahr 2035 verlängern. Und darüber hinaus werden wir uns auch weiterhin klar gegen weitere Werbeverbote positionieren. Der ideologiegetriebene Vorschlag der Ampel für ein Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz ist zum einen unverhältnismäßig, da auch Grundnahrungsmittel umfasst sind, und zum anderen auch ein Angriff auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder.
Zudem steht eine Neukonzeptionierung der Lokal-TV-Förderung ab 2025 an. Es steht außer Zweifel, dass das Bayerische Lokalfernsehen einzigartig ist und mit seiner Abbildung der verschiedenen Regionen Bayerns, lokalen Ereignissen und der Eigenart verschiedener Kulturräume einen besonderen Stellenwert im Bayerischen Informationsgefüge einnimmt. Deswegen müssen wir es zukunftsfähig aufstellen. Die BLM wird dazu noch im Januar Vorschläge unterbreiten, die der Gesetzgeber mit einer Änderung des Bayerischen Mediengesetzes aufgreifen kann.
Des weiteren steht eine Evaluierung der Zusammensetzung der Rundfunkgremien an. So sehen es das Bayerische Mediengesetz und das Bayerische Rundfunkgesetz vor. Wir werden uns dabei auch die Aufgaben und die Funktionsfähigkeit der Gremien genau anschauen. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass die vorhandenen Kontrollstrukturen des Rundfunks nicht immer bzw. nicht in allen Bereichen besonders zuverlässig greifen. Hier noch einmal genauer hinzusehen und für mehr Professionalisierung und Transparenz zu sorgen, bedeutet auch, die allgemeine Akzeptanz für das Rundfunksystem zu erhöhen.
„Der ideologiegetriebene Vorschlag der Ampel für ein Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz ist zum einen unverhältnismäßig, da auch Grundnahrungsmittel umfasst sind, und zum anderen auch ein Angriff auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder.“
Auch in 2024 sind Fake News und Desinformation eine Herausforderung für unsere Demokratie und wir müssen dem begegnen. Die Förderung der Medienkompetenz ist Bayern daher besonders wichtig und im bayerischen Koalitionsvertrag deshalb auch ausdrücklich verankert, denn Medienkompetenz ist eine maßgebliche Schlüsselqualifikation in unserer immer digitaler werdenden Welt. Der kompetente Umgang mit Medien muss von klein auf gelernt werden. Schon Kinder müssen Medien verstehen, die Glaubwürdigkeit von Informationen beurteilen und Fake News erkennen können. Die Bayerische Staatsregierung unterstützt daher bereits seit vielen Jahren zahlreiche Medienkompetenzprojekte für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren. Der von der Staatskanzlei geförderte „Medienführerschein Bayern“ ist sogar bundesweit Vorbild. Seit über zehn Jahren fördern wir mit dieser Initiative die Medienkompetenz in Kindergarten und Schule und auch der außerschulischen Jugendarbeit. Die Materialien sind kostenlos, werden laufend aktualisiert und sind ohne vorherige Schulung direkt einsetzbar. Das Thema Desinformation spielt darin selbstverständlich eine zentrale Rolle. Weil Schlagzeilen und Nachrichten in Krisenzeiten gerade für Kinder und Jugendliche schwer einzuordnen und zu verarbeiten sind, gibt es beim „Medienführerschein Bayern“ seit 2023 auch ein Modul zum Umgang mit der medialen Darstellung von Krisen. Das Modul wurde für Lehrkräfte von Grund- und weiterführenden Schulen entwickelt. Neben den Unterrichtsmaterialien haben Lehrkräfte mit der Broschüre „Wenn Nachrichten Angst machen“ zudem einen Gesprächsleitfaden, um spontan auf das Gesprächs- und Reflexionsbedürfnisse der Schüler reagieren zu können. Schüler erhalten so ein Grundverständnis davon, in welcher Form Krisen in den Medien aufgegriffen werden und welche Dynamiken dabei entstehen können. Ein versierter Umgang mit Medien schafft Vertrauen und gibt Orientierung, gerade in unsicheren Zeiten.
Kinder und Jugendliche brauchen beim Umgang mit den Medien besonderen Schutz. Eltern dürfen mit der schwierigen Aufgabe, ihre Kinder sicher für die Medienwelt des 21. Jahrhunderts zu wappnen, nicht allein gelassen werden. In der ersten Jahreshälfte 2024 geht eine Reform des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) in die Zielgerade, mit der wir einige der Herausforderungen angehen, die sich jungen Menschen im Umgang gerade mit digitalen Medien und dem Internet stellen. Im Internet ist es besonders schwierig, dagegen vorzugehen, wenn Kinder und Jugendliche entwicklungsgefährdenden Inhalten ausgesetzt werden. Für diesen sensiblen Bereich wollen wir die Kompetenzen der Landesmedienanstalten und der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erweitern. Indem beteiligten Kreditinstituten die Mitwirkung am Zahlungsverkehr für solche Angebote untersagt werden kann („follow the money“), können wir bald der Verbreitung jugendgefährdender Angebote den wirtschaftlichen Boden entziehen, anstatt nur gegen die einzelnen Angebote vorzugehen. Bereits jetzt können entwicklungsgefährdende Angebote mit Sperrverfügungen aus dem Netz genommen werden. Zu leicht ist es aber, einfach dasselbe Angebot unter einer neuen Domain einzustellen, gegen die dann wieder in einem langwierigen Verfahren vorgegangen werden müsste. Der Medienstaatsvertrag enthält daher bald eine Regelung, mit der inhaltsgleiche Angebote, sog. „mirror domains“, gleich mitgesperrt werden können, damit Sperrverfügungen nicht mehr so leicht umgangen werden können. Mit beiden Maßnahmen stärken wir die Rechtsdurchsetzung gegenüber den Anbietern von unzulässigen entwicklungsgefährdenden Medienangeboten.
Ein letzter Punkt zum Filmstandort Deutschland: Die von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien angekündigte Reform der Filmförderung in Deutschland ist dringend erforderlich und wird aus Bayern heraus aufmerksam verfolgt und inhaltlich eng begleitet. Die Einführung eines steuerlichen Anreizmodells entspricht inzwischen internationalen Standards und würde eine wegweisende Änderung der Fördersystematik in Deutschland darstellen. Ein solches Instrument bietet erhebliches Wachstumspotential für den Produktionsstandort Bayern. Allerdings müssen die zu erwartenden Steuerausfälle von Ländern und Kommunen kompensiert werden. Hinsichtlich der diskutierten Investitionsverpflichtung für Sender und Streaming-Plattformen muss aus meiner Sicht besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der TV-Sender gelegt werden. Sie sind ohnehin bereits stark reguliert und unterscheiden sich in ihrer publizistischen Dimension deutlich von internationalen Streamingplattformen. Ihre Beiträge zu den Länderfilmförderungen müssen auf jeden Fall Berücksichtigung finden. Das Modell einer Selbstregulierung der Branche stellt eine diskussionswürdige Alternative dar. Beide Reformprojekte stehen in engem sachlichem Zusammenhang und müssen daher einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden, um den Filmstandort Deutschland bestmöglich für die Zukunft zu rüsten.
„Mit einer Erhöhung der Regionalität und Pluralität, mit mehr –auch technischer – Innovation und attraktiveren Angeboten für alle Zielgruppen können sich die Anstalten nachhaltig zukunftsfähig aufstellen.“
medienpolitik.net: Die Länder arbeiten intensiv an einem weiteren Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Welche Reformen müssten sich Ihrer Meinung nach unbedingt in einem solchen Medienänderungsstaatsvertrag wiederfinden?
Herrmann: Wir haben uns in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insbesondere auch unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Beitragsstabilität vorangetrieben wird. Das ist für uns ein ganz zentrales Ziel. Die allgemeine Akzeptanz für den Rundfunkbeitrag ist deutschlandweit so weit gesunken, dass sich auch in vielen Landesparlamenten keine Mehrheiten mehr für eine Beitragserhöhung finden. Das ist ein deutliches Signal! Dieses Signal dürfen wir auch nicht überhören und die Verantwortung für die Entscheidung zur Beitragshöhe auf das Bundesverfassungsgericht abschieben. Unabhängig von unserem klaren Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk widerspräche es dem demokratischen Prinzip, Beitragserhöhungen durch Richterspruch zu institutionalisieren. Es wird auf Dauer nicht ausreichen, dass die Karlsruher Richter die KEF-Empfehlung gegen die Landesparlamente umsetzen. Was wir brauchen, ist eine breite Zustimmung zum öffentlich-rechtlichen System in der Bevölkerung. Noch ist es nicht zu spät dafür, die Anliegen der Menschen hier ernst zu nehmen und danach zu handeln. In Zeiten drastischer finanzieller Belastungen unserer Bürgerinnen und Bürger wirkt die Erhöhung öffentlich-rechtlicher Beiträge kontraproduktiv für die Akzeptanz.
Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Unterstützung des Zukunftsrats schon bald richtige und wichtige Reformschritte auf den Weg bringen. Ohne strukturelle Verschlankungen und Einsparungen wird es aber nicht gelingen, den Rundfunkbeitrag stabil zu halten. Wir haben derzeit elf verschiedene Anstalten, dies führt zu Mehrfachstrukturen. Einsparpotential sehe ich deshalb beim Abbau dieser Mehrfachstrukturen und bei mehr Zusammenarbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem. Zentraler Aspekt eines Reformstaatsvertrages sollte deshalb die Verpflichtung zu mehr Kooperation sowohl bei Technik und Verwaltung als auch im Programm sein – und das nicht nur innerhalb der ARD. Besonders wichtig ist mir bei den laufenden Reformbestrebungen der Markenkern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: programmliche Qualität und Ausgewogenheit. Gerade hier können die Anstalten ihren Wert für unsere Gesellschaft täglich zeigen. Mit einer Erhöhung der Regionalität und Pluralität, mit mehr –auch technischer – Innovation und attraktiveren Angeboten für alle Zielgruppen können sich die Anstalten nachhaltig zukunftsfähig aufstellen.
Viele Menschen haben das Gefühl, dass ein wichtiger Aspekt nicht mehr vorhanden ist, nämlich die Vielfalt. Selbstverständlich kann man nicht erwarten, dass immer nur das gesagt, gesendet oder kommentiert wird, was einem gefällt. Aber am Ende müssen sich alle wiederfinden, auch kontroverse Meinungen. Das muss in den Formaten, in den Themen, in den Inhalten gelten - und auch in der Herangehensweise. Es gibt einige Formate bei den Öffentlich-Rechtlichen, bei denen das aus dem Ruder läuft.