
Für die Zeitschriftenbranche haben sich im Geschäftsjahr 2022 die Umsätze im digitalen Vertriebs- und Werbegeschäft wie auch die Umsätze in den nicht-traditionellen Geschäftsfeldern mit einem zweistelligen Umsatzplus positiv entwickelt. Allein die Umsätze mit diesen neuen Geschäftsmodellen machten fast fünf Milliarden Euro aus, ein Plus von elf Prozent gegenüber 2021. Wie der Medienverband der freien Presse (MVFP) heute auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin hervorhob, haben die Zeitschriftenverlage in Deutschland allerdings die hart erarbeiteten Erlöszuwächse aus der Transformation der Geschäftsprozesse die hoch zweistellig gestiegenen Energie- und Papierpreise, explodierende Logistikkosten sowie die weitere Verteuerung der Zustellung im traditionellen Magazin-Geschäft nicht kompensieren können. Zusätzlich habe die hohe Inflation das Konsum- und Werbeklima sehr deutlich eingetrübt und die Umsätze auf den klassischen Geschäftsfeldern unter Druck gesetzt.
Im Geschäftsjahr 2022 bleibt der Gesamtumsatz der Zeitschriftenverlage unter Einbeziehung nicht publizistischer (sonstiger) Geschäftsfelder mit 19,3 Milliarden Euro über alle Gattungen – Publikumspresse, Fachpresse und konfessionelle Presse – fast stabil (2021: 19,4 Mrd. Euro). Entscheidend dafür war das Wachstum der Fachmedien bei Veranstaltungen und Digitalumsätzen. Dort stieg der Umsatz dieser Gattung von 7,99 Mrd. Euro auf 8,33 Mrd. Bei den Publikumstiteln gab es Rückgänge in den Geschäftsbereichen Print-Anzeigenmarkt und Print-Vertrieb von 3,5 Prozent bzw. 4,0 Prozent. Das gute Umsatzwachstum beim digitalen Werbegeschäft (+10%), im Digitalvertrieb (+15%) und bei Paid Content (+12%) konnten dabei die Erlösrückgänge, vor allem aber die massiven Kostensteigerungen nicht ausgleichen.
Zweistelliges Umsatzplus bei den sonstigen Geschäftsfeldern
Die bereits zum fünften Mal von der Schickler Unternehmensberatung im Auftrag des MVFP ermittelten Umsatzerlöse der MVFP-Mitgliedsverlage in den Bereichen Veranstaltungen, Bildung, Software sowie Services, Stellen- und Transaktionsplattformen zeigen, dass die Transformation voranschreitet. So haben sich 2022 die Umsätze in nahezu allen Bereichen der sonstigen Geschäftsfelder erneut erhöht. Insgesamt erwirtschafteten die Verlage mit einem Plus von elf Prozent 4,91 Mrd. Euro nach 4,42 Mrd. Euro in 2021. Den weitaus größten Anteil machten mit 2,40 Mrd. Euro (2021: 2,54 Mrd. Euro) die Transaktionsplattformen aus, also jene Erlöse, die über Kanäle wie E-Commerce, Vergleichsportale und Online-Rubriken-Märkte erzielt wurden. Über den Bereich Bildung wurden Umsätze in Höhe von 263 Mio. (2021: 202 Mio.) Euro, über Veranstaltungen 145 Mio. Euro (2021: 58 Mio. Euro) sowie über Stellen-Plattformen 1.220 Mio. (2021: 853 Mio. Euro) erzielt. Das Geschäftsfeld Software und Services steigerte seinen Umsatz auf 872 Mio. Euro (2021: 771 Mio. Euro). 84 Prozent der an der aktuellen MVFP-Trendumfrage teilnehmenden Medienunternehmen halten eine Förderung auch der Zeitschriften für notwendig, um den Verlagen die Chance auf weitere Investition in die digitale Transformation zu ermöglichen. Nur so könne unter den aktuellen Bedingungen und bei Preissteigerungen, die die Verlage in keiner Weise beeinflussen können, die Finanzierung von Innovation und Transformation der unabhängigen, journalistischen Leistungen von knapp 7.000 gedruckten Zeitschriftentiteln sowie den digitalen Kanälen dieser Marken für die Zukunft sichergestellt werden.
Welte: Kostensteigerungen sind ein ernstes Existenzrisiko
„Die Entwicklung des letzten Jahres zeigt überdeutlich, dass es zur Intensivierung unserer Transformationsprozesse keine Alternative gibt. Überall in unserer Branche entstehen auf dem Fundament unserer Marken und unserer journalistischen Inhalte neue digitale Geschäftsmodelle. Damit schaffen wir die ökonomische Grundlage für eine auch in Zukunft vielfältige Presselandschaft. Diese Zukunft für den unabhängigen Journalismus der Verlage zu sichern, ist unser gesellschaftlicher Auftrag“, erklärte Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des MVFP und Vorstand von Hubert Burda Media, auf der Jahrespressekonferenz. Auf diesem Weg der Transformation bildeten die „in keiner Weise mehr kontrollierbaren Kostensteigerungen“ in zahlreichen Marktsegmenten ein ernstes Existenzrisiko für einzelne Produkte und in der Kombination oft auch für ganze Verlage. Welte: „Die weltweit einzigartige Vielfalt journalistischer Zeitschriftenmedien ist ernsthaft gefährdet.“ Da weder aktuell noch perspektivisch mit einer Umkehr der Kostenentwicklung und einer signifikanten Besserung des Konsumklimas zu rechnen sei, gehe es für viele aus der Welt der Zeitschriften kommenden Medienunternehmen darum, ihre bestehenden Geschäfte durch veränderte Strukturen und Prozesse abzusichern und gleichzeitig durch hohe Investitionen in Innovation und Transformation ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.
MVFP-Vorstandsvorsitzender Philipp Welte mahnte die Politik angesichts der in dieser Dimension nie dagewesenen wirtschaftlichen Bedrohung, sich für die Zukunft der freien Presse einzusetzen: „Wir stehen vor einer realen Bedrohung des Fundaments des freien Journalismus in Deutschland. Den Herausforderungen der Digitalisierung stellen wir uns im dritten Jahrzehnt mit Erfolg, aber die Kombination aus nicht mehr beherrschbaren Steigerungen der Produktions- und der Zustellungskosten sowie der parallel laufenden Investitionen in die digitale Transformation gefährdet die Versorgung unserer Gesellschaft mit unabhängigem Journalismus. Bis zu einem Drittel der Titel aus der Welt der Zeitschriften wären in ihrer Existenz bedroht, wenn sich die ökonomischen Rahmenbedingungen nicht ändern sollten. Darin sehe ich eine zunehmend konkrete Gefahr für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, denn mit ihren über die Tagesaktualität hinausgehende nachhaltige und vertiefte Information ihrer Zielgruppen leisten die vielen Tausend Journalistinnen und Journalisten unserer Verlage einen unverzichtbaren Beitrag für die Vielfalt der Meinungen und die Verlässlichkeit von Informationen in unsere Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass die Politik ihrer Zusage aus dem Koalitionsvertrag entspricht und diskriminierungsfrei Zeitschriften und Zeitungen in ordnungspolitisch einwandfreier Weise fördert. Den gesellschaftlichen Konsens der Einheit der Presse jetzt politisch in Frage zu stellen und Zeitschriften aus der Förderung periodischer Presse auszuschließen, wäre ein ordnungspolitischer Irrweg.“